Reptile

Reptile

Von Shamway

Die junge Immobilienmaklerin Summer Grady wird in einem der Häuser, durch das sie Interessenten durchführte, mit einer wilden Anzahl Messerstiche ermordet. Der Verdacht fällt auf ihren Mann, Will Grady (Justin Timberlake) – denn die beiden führten keine ideale Ehe mehr. Davon geht die Story aus. Angelegt ist REPTILE wie ein Noir-Thriller aus den 1980er Jahren – mit fast allen Zutaten. Denn hinter der Fassade des sympathischen und dynamischen Paares tun sich doch ein paar Abgründe auf.

Nicht nur hat Summer ihren Mann betrogen, das Paar verkaufte auch zwangsversteigerte Immobilien zu dubios tiefen Preisen. Und nicht zuletzt pflegt Will eine sehr enge Beziehung zu seiner Mutter, der Witwe Camille (Frances Fisher), die den Hitchcock-Aspekt der übertriebenen Mutter-Sohn-Beziehung auf einer ökonomischen Basis auflegen lässt. Das Geschäft ihres verstorbenen Ehemanns lebt im Sohn weiter – und er hat das verinnerlicht.

Fehlt noch ein Ermittler, der sich tief in den Sumpf dieses Mordes hineinbegibt. Den gibt es zwar, doch im Unterschied zu den 1980ern Noirs wird Ermittler Tommy Nichols (Benicio Del Toro) nicht persönlich in die dunklen Vorgänge hereingezogen wie all die 1980er Detektive und Polizisten, sondern bleibt ruhig, ermittelt rational und ist überdies mit einer tollen Frau verheiratet (Alicia Silverstone, einmal mehr in Hochform). Moralisch vereint Tommy Nichols zwei gute Eigenschaften: Zum einen ist er für seine Ehrlichkeit bekannt, glaubwürdig und solide, zum andern vertritt er aber auch einen Schweigekodex unter Polizisten (offenbar hat er am Ort, an dem er vorher arbeitete, auch seinen korrupten Partner gedeckt). Zwei eigentlich positive Eigenschaften, die sich irgendwann beißen könnten – nicht zuletzt, weil der Film aus den USA des Jahres 2023 stammt. Einer Zeit, in der das Verhältnis zu den Polizisten des Landes nie so gespalten gewesen sein dürfte wie nach den Black Lives Matter Protesten (bzw. dem Mord an George Floyd). Selbst wenn REPTILE nicht in einer städtischen Umgebung spielt und ein relativ heiles (wenngleich von homophoben und sexistischen Sprüchen geprägtes) Copland zeigt, kommt er natürlich nicht an den Realitäten und Widersprüchen der US-Polizei vorbei.

Ein schöner Erstling von Musikvideo-Regisseur Grant Singer, mit zweieinhalb Stunden allerdings zu lang geraten. In gewisser Weise zeigt REPTILE damit die Problematik der Streaming-Serien auf. Oft etwas zu viele Längen, doch bemerkt man sie weniger, weil Serien portioniert sind? Die Frage stellt sich tatsächlich, ob ein Film wie REPTILE noch besser wäre, wenn er als dreiteilige Serie gestreamt würde? Was aber nicht heißen soll, dass der Film schlecht ist.

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Reptile, USA 2023 | Regie: Grant Singer | Drehbuch: Grant Singer, Benjamin Brewer, Benicio del Toro | Kamera: Mike Gioulakis | Musik: Yair Elazar Glotman | Darsteller: Justin Timberlake, Benicio Del Toro, Eric Bogosian, Alicia Silverstone, Domenick Lombardozzi u.a. | Laufzeit:134 min.

Streaming Dienst: Netflix
Fotos: Netflix (Daniel McFadden/KyleKaplan)