Die dunklen Seiten der Trennung.

Susan Morrow (Amy Adams) ist ebenso erfolgreiche Galeristin wie unglückliche Ehefrau, die in einem Glaskäfig der schönen Oberfläche lebt: wunderschöne Villa mit Bediensteten, einem aalglatten, hübschen Businessman-Gatten, eine beeindruckende Galerie. Was sie jedoch aktuell ausstellt, reflektiert ihre Befindlichkeit auf beunruhigende (und provokative) Weise: An der Vernissage werden überaus fettleibige Frauen präsentiert, die als Stripperinnen tanzen. Das schwabbelnde Fett der LED-Gemälde gerät dabei zum Symbol äußerster Kunstdekadenz, die so unethisch wie peinlich das freigesetzte Innenleben von Susan demonstriert. nocturnal-animals-char-1 Ihre Befindlichkeit wird allerdings erst richtig aufgebrochen, als ihr erster Ehemann Edward Sheffield (Jake Gyllenhaal) ihr das Manuskript seines neuen Buchs zuschickt. „Nocturnal Animals“, so der Titel des Buches, das er – „For Susan“ – ihr widmet. So beginnt ein Film, der so sehr zwischen Intimität der Gefühle und Beziehungen und drastischer Erzählweise oszilliert wie sonst nur Filme von David Lynch.

Auf drei Erzählebenen führt Tom Ford in seinem Zweitling die Geschichte einer Trennung und deren Verarbeitung aus. Zuvorderst die erwähnte Gegenwart, in der Susan immer mehr in den Sog von Sheffields Story gerät. Duscht sich die Hauptperson der Story den Schmerz in Form von Blut und Wüstensand vom Körper, sehen wir auch die gepeinigte Susan am Duschen. Doch so direkt lassen sich in Sheffields äußerst verstörender Geschichte doch nicht die Verknüpfungen zur vergangenen Beziehung herstellen – vielmehr geschieht das sehr indirekt. Und das macht die Stärke des Films aus.

nocturnalanimals_3 Auf einer nächtlichen Fahrt durch die texanische Wüste wird eine gepflegte Mittelstandsfamilie – Vater, Mutter, Tochter (Gyllenhaal, Isla Fisher, Ellie Bamber) – von drei psychotischen Outlaw-Kriminellen angehalten und durch einen gewalttätigen Höllentrip geschickt, der es in seinem grauenvollen Suspense mit der Willem-Dafoe-Szene in WILD AT HEART oder mit FUNNY GAMES aufnehmen kann. Dass schließlich Mutter und Tochter von den widerwärtigen Gestalten vergewaltigt und getötet werden, berührt in seiner Brutalität viel mehr als eine Trennungsgeschichte und zeigt so den Hass und die Rachegelüste des Autors, des „betrogenen“ Edward. In einer Szene in der Jetztzeit steht Susan denn auch vor einem schwarzen Gemälde, das in radikaler Weise lediglich das mit weißer Farbe herunterblutende Wort
RE
VE
NGE
in plumpster Plakativität vor Augen führt.

nocturnalanimals_1 Permanent aber führt uns Tom Ford in eine dritte Ebene des Films, und erst die hilft dem Zuschauer, Edward Sheffields Romanmetaphorik mit der Realität zu verbinden. Susans Rückblenden und Erinnerungen zeigen die Wendepunkte in der Beziehung zu Edward und die dramatischen Gründe der Trennung. Man erfährt nun, weshalb Susan beim Lesen zunehmend verunsichert ist. Edward betitelte Susan früher als „Nocturnal Animal“. Susan war schwanger und trieb ab, just als sie sich von Edward trennte – darum müssen in der Romangeschichte eine Frau und ihre Tochter sterben. Das zivilisierte Ausformulieren dieser emotionalen Abgründe wird von Ford übertragen in die barbarische Geschichte von Rape und Revenge, dem nicht minder unzivilisierten Aufspüren der drei Verbrecher.

nocturnalanimals_2 Selbst wenn wir wissen, dass Susan heute unglücklich ist: Hat sie damals tatsächlich ihre echte, aufrichtige Liebe fallen gelassen, obwohl sie schwanger war? Oder war die Liebe für sie gar nicht mehr so intensiv wie für ihren Partner Edward? Susans „Geschichte“ erschließt sich differenziert und mit einer gewissen Komplexität über die Gespräche der Rückblenden. Ihre Erzählweise, die Rückblenden, versuchen sich an die Realität zu halten und kommen damit nicht zu einer eindeutigen Haltung zu ihrer Vergangenheit. Edwards „Geschichte“ dagegen ist eine gnadenlose Pulp-Story und trägt in ihrer brutalen Metaphorik eine ganz klare Aussage: Ich wurde betrogen und räche mich (was er am Ende auch in der Realität tut … aber natürlich auf zivilisierte Art). Die Abgründe seiner Perspektive liegen in seiner selbstzerstörerischen Attitüde.

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Nocturnal Animals, USA 2016 | Regie: Tom Ford | Drehbuch: Tom Ford, nach Austin Wright | Kamera: Seamus McGarvey | Musik: Abel Korzeniowski | Mit: Amy Adams, Jake Gyllenhaal, Michael Shannon, Aaron Taylor-Johnson, Isla Fisher | Laufzeit: 116 Min. (Verleih: UIP)

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