Das Trio mit der scharfen Klinge.

Was haben es die alten Regisseure schwer: stehen Kultfilme aus vergangenen Jahrzehnten in ihrer Filmographie und drehen sie einen neuen Streifen, hauen ihnen die Filmfans oftmals um die Ohren „Der war auch schon mal besser“. Machen sie keine neuen Filme und ruhen sich auf den Lorbeeren aus, heißt es lakonisch „Der traut sich auch nichts mehr zu“. Fein raus sind die mehr oder weniger früh Verstorbenen, die sich mit derlei Tand nicht mehr herumschlagen müssen – Sergio Leone oder Mario Bava grüßen von der großen Wolke aus. Ruggero Deodato ging nach seinen von Fans hochgeschätzten und teils reichlich polarisierenden Werken wie EISKALTE TYPEN AUF HEIßEN ÖFEN (1976), MONDO CANNIBALE 2 – DER VOGELMENSCH (1977), NACKT UND ZERFLEISCHT (1980) oder DER SCHLITZER (1980) den Weg vieler Kollegen und musste sich mit immer dürftigeren Produktionsbedingungen und dem erodierten Kinobusiness Italiens herumschlagen. Zwar drehte er mit Filmen wie OFF BALANCE – DER TOD WARTET IN VENEDIG (1988) oder DIAL: HELP (1988) weiterhin für die großen Vertriebswege, doch irgendwann sattelte er aufs Fernsehen um und filmte für die RAI populäre Serien wie die Bud-Spencer-Vehikel ZWEI ENGEL MIT VIER FÄUSTEN (1997) oder PADRE SPERANZA – MIT GOTTES SEGEN (2005) herunter. Künstlerisch zwar immer mehr als solide geraten, so befriedigten diese Arbeiten nicht den künstlerischen Anspruch Deodatos. Erst 2018 ergab sich für ihn die Möglichkeit, noch einmal ein Herzensprojekt in Angriff zu nehmen – BALLAD OF BLOOD, die fulminanten Rückkehr des Ruggero Deodato.

Student müsste man nochmal sein … denn da kann man was erzählen. Es ist kurz nach Halloween, als die beiden Schluffistudenten Jacopo (Gabriele Rossi) und Arden (Roger Garth), denen Drogen, Sex und die letzte Fete ziemlich den Bregen vernebelt zu haben scheinen, sich im Apartment ihrer Studienkommilitoninnen Lenka (Carlotta Morelli) und Elizabeth (Noemi Smorra) wiederfinden. Arg ist nur, dass das Licht des Vollmonds offenbart, dass Elizabeth die Nacht nicht überlebt hat – und die herrische Rebecca (Rebecca Di Maio) sich ebenfalls nicht erinnern kann, was seit der Halloweenparty passiert ist und wie es soweit kommen konnte. Hat etwa der sinistre Kellner und Drogenhändler Leo (Ernesto Mahieux) etwas mit dem Mord zu tun? Und welche Rolle spielen die Jugendlichen, die des Nachts über Jacopo und Arden herfallen? Am Schlimmsten jedoch ist, dass die drei sich nach und nach gegenseitig misstrauen – und so beginnt eine lange Nacht, an deren Ende sich das Rätsel auf schaurige Art und Weise lüften wird.

Im Rahmen der Möglichkeiten kredenzt der Altmeister hier eine angenehme und überraschend kurzweilige Thrillerstory, deren Plotholes den geneigten Zuschauer nicht von der atmosphärischen Klasse ablenken sollten, die Deodato hier zu schaffen vermag. Im Gegensatz zu manchem mit Videoästhetik geschlagenem Low-Budget-Movie versteht es BALLAD IN BLOOD tatschlich, filmmisch rüberzukommen und seine Schwächen im Drehbuch durch eine rapide Portion Hitchcock und einem gehörigen Schuss Sleaze aus dem Land in Stiefelform wettzumachen. Dass der Regisseur sein Handwerk nach wie vor beherrscht, davon gibt BALLAD IN BLOOD beredt Auskunft.

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Für Rebecca Di Maio stellte BALLAD IN BLOOD das Spielfilmdebut dar, während das italienische Supermodel Roger Garth sich mit dem Business hinter der Kamera bereits auskannte – jahrelang synchronisierte er hunderte von TV-Folgen bekannter Serien. Auch die weiteren Darsteller des überschaubaren Ensembles – Carlotta Morelli, Gabriele Rossi und Noemi Smorra – sind seit Jahren gut im Fernsehgeschäft unterwegs, wobei sich ihre Karrieren auf den italienischen Sprachraum begrenzen, was die Identifikation für deutsche Fans etwas schwieriger macht. Ernesto Mahieux, der sich 2003 gar einen David di Donatello als bester Nebendarsteller aufs heimische Vertiko stellen konnte, begann seine Karriere unter den Fittichen von Regisseuren wie Alfonso Brescia oder Stelvio Massi, ehe er bei Ettore Scola oder Pasquale Squitieri reüssierte.

Wer sich mit dem Regisseur nicht nur eine lebenslange Freundschaft und eine künstlerische Partnerschaft teilt – bereits Deodatos letzter Kinofilm DIAL: HELP (1988) war von ihm vertont worden – sondern auch den größten Bekanntheitsgrad der an BALLAD IN BLODD beteiligten teilt, ist Komponist Claudio Simonetti. Als Gründungsmitglied der legendären Prog-Rock-Gruppe Goblin, die gemeinsam mit den von ihnen beschallten Dario-Argento-Klassikern zum Kult wurde, war Simonetti an den Scores zu ROSSO – FARBE DES TODES (1975), DEALER CONNECTION – DIE STRASSE DES HEROINS (1977), SUSPIRIA (1977), SADO – STOSS DAS TOR ZUR HÖLLE AUF (1979), ASTARON – BRUT DES SCHRECKENS (1980), TENEBRAE (1982), PHENOMENA (1985), THE CHURCH (1989) oder SLEEPLESS (2001) sowie der europäischen Version von ZOMBIE (1978) beteiligt. Doch auch auf eigene Rechnung trug er mit Soundtracks zu METROPOLIS 2000 (1983), DÄMONEN 2 (1985) oder TERROR IN DER OPER (1988) einiges zum italienischen Genrekino bei.

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Bei Rawside Entertainment, einem Unterlabel von Wicked-Vision, ist BALLAD OF BLOOD vor einiger Zeit in Deutschland erschienen, wobei das Mediabook, dass neben der DVD eine Blu-ray fasst, die aufgrund der detailreicheren Auflösung vorzuziehen ist, in stimmungsvollen Covervarianten erschienen ist. Das Breitwandbild bietet eine Wiedergabe ohne Fehl und Tadel, gleiches gilt für den wuchtigen, deutschen 5.1 DTS-Sound, der dem englischen O-Ton klar überlegen ist. Als Extras werden neben dem deutschen Trailer sowie Originaltrailer in kurzer wie langer Fassung rund zwanzigminütige Videoaufnahmen hinter den Kulissen während der Dreharbeiten gereicht. Das nur exklusiv im Mediabook enthaltene, vierundzwanzigseitige Booklet, in dem Autor Christoph N. Kellerbach über die Karriere des Regisseurs referiert sowie eine dezidierte Analyse von BALLAD IN BLOOD vornimmt, rundet das Paket ab. Mittlerweile sind auch Einzelveröffentlichungen auf separaten Trägermedien erschienen, somit dürften alle Geldbeutel jedweder Klientel individuell bedient sein.

Verhuschte Jugendliche, die halbnackend durchs Bild eilen – stilisierte Optiken in stilvollen Kulissen – suspensehafte Spannung in modernem Chic; Deodato weiß, was er seinem Publikum schuldig ist und lieferte unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel kurzweiligen Thrill mit Schmiss und italienischem Einschlag. Als erprobter Genrefan kann man hier ohne weiteres auf seine Kosten kommen – in dieser WG werden immer wieder Zimmer für interessierte Untermieter frei.

Ballad in Blood
Italien 2018
Regie: Ruggero Deodato
Darsteller: Rebecca Di Maio, Roger Garth, Ernesto Mahieux, Carlotta Morelli, Gabriele Rossi, Noemi Smorra u.a.

Anbieter: Rawside Entertainment / Wicked-Vision

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Rawside Entertainment