Zum Tod von Klaus Kinski. Ein Nachruf von 1992.

… und das glänzende Elend, die Langeweile unter dem garstigen Volke, das sich hier neben einander sieht! die Rangsucht unter ihnen, wie sie nur wachen und aufpassen, einander ein Schrittchen abzugewinnen … ich kann das Menschengeschlecht nicht begreifen, das so wenig Sinn hat, um sich so platt zu prostituieren.“ (Johann Wolfgang Goethe)

Klaus Kinski, der am 18. Oktober 1926 in Zoppot als Nikolausz Günther Naksynski geboren wird, erlebt schon während seiner schweren Kindheit in Berlin den ‚Weltbeschiß‘: Das sogenannte Leben in der Gesellschaft entpuppt sich für ihn schnell als ‚eine Mogelei‘. Schon früh begreift er, daß er nur durch eigene ‚Schummeleien‘ überleben kann. Kinski klaut sich und seiner Familie den Unterhalt zusammen. Seiner Mutter möchte er die Hurerei ersparen. Als ein Pfandleiher sie zwingt, mit ihm ins Bett zu steigen, spaltet sein Vater, ‚der die Güte von Jesus Christus hat, dieser Sau mit seinen gigantischen Fäusten die Fresse wie mit einer Axt‘. Die widrigen Umstände zwingen dazu, daß Kinski ins Kinderheim (das er als ‚Kinderhölle‘ bezeichnet) gesteckt wird. Als er einer ‚Zuchthausschlampe‘ den ‚Schweinefraß‘, der ihm hier täglich vorgesetzt wird, direkt in die ‚verdammte Fresse‘ kotzt, darf er wieder nach Hause. Jahre später kommt er nochmal in einem Heim, die ‚Erwachsenenhölle‘: Nach einem Selbstmordversuch mit Tabletten landet er in der geschlossenen Abteilung in Berlin-Wittenau. „Aber ich darf nicht jammern! Ich darf auf keinen Fall verzeifelt sein! Nicht einmal traurig! Das vermindert den Haß ich brauche Haß! Keine Verachtung, Verachtung ermüdet ich brauche bösen, rachgierigen Haß!“

Kinskis Halt findet sich in der Sucht nach Frauen, denn er hat auf der anderen Seite den unerschöpflichen Drang, Liebe zu geben. Er verschwendet sich, macht keinen Unterschied zwischen alt und jung, groß und klein, schön und häßlich. Er interveniert mit seinem Schwanz. Er versprüht seine unbändige Lebensenergie, befriedigt hemmungslos Gelüste. Kinski lebt beschleunigt, nähert sich stark der Grenze, an der sich ein Mensch aufgibt. Alles ist ’scheißegal‘. Er schmeißt mit dem Geld um sich. Fährt ein Auto nach dem anderen; manche zu Schrott, andere verkauft er, weil ‚der Aschenbecher voll war‘. Bereits ’69 besitzt er seinen achten Rolls Royce, zugleich seinen 45. Wagen. Kinski dreht einen Film nach dem anderen oder mehrere gleichzeitig. Bei Horst Wendlandt unterschreibt er Knebelverträge für Filme, die ihm den Titel ‚Irrer vom Dienst‘ bescheren. Er braucht das Geld (auch der Beweggrund für seine drei Autobiographien ICH BIN SO WILD NACH DEINEM ERDBEERMUND, ICH BRAUCHE LIEBE und PAGANINI). Früher trat er für einen Hungerlohn noch in Kneipen auf und rezitierte Villon, machte dann viel Theater je mehr er sich in die verlogene Kunstmaschinerie integriert, desto stärker wird der Drang, seinen Lebensstil ad absurdum zu treiben. In Italien, seit 1965 seine Wahlheimat, bewohnt er in der römischen Via Appia eine Jahrhunderte alte Schloßburg, gibt jeden Monat umgerechnet 7000 Mark für sein Personal aus: einen Chauffeur, einen Gärtner, zwei Dienstmädchen, einen Diener, eine Köchin und eine Sekretärin. „Es gibt ja sowieso keine Grenzen oder Maßstäbe. Nur wahnsinnige Extreme.“

Bevor er sich vollends in die Besinnungslosigkeit hineingelebt hat, trifft er auf eine Frau, die schlagartig sein ganzes Leben verändert: die Vietnamesin Minhoi, die er ‚über alles‘ liebt. Sie heiraten. [Bereits zweimal war Kinski die Ehe eingegangen, je ein Kind (Pola und Nastassja) war das Resultat.] Die Relikte der Vergangenheit versucht er, aus seinem Leben zu treiben; er trennt sich von seinem pompösen Haus, das einem goldenen Käfig glich. Ein neuer Lebensabschnitt hält Einzug. Mit der Geburt seines Sohnes Nanhoi scheint das Glück perfekt, doch seine exzessive Natur treibt Kinski erneut zur Hurerei. Es folgt die Trennung von Minhoi und Nanhoi, den er nur noch selten sieht. Für Kinski beginnt vollends der Abstieg in die Einsamkeit.

„Die Worte waren nur noch hohle, sinnentleerte Schablonen, und auch die Personen hatten jedwedes Seelenleben verloren. Die Welt schien in ein bizarres Licht getaucht, vielleicht in ihr wahres Licht.“ (Eugene Ionesco)

Zunehmend kapselt sich Kinski von der menschlichen Gesellschaft ab. Anfang der 70er Jahre tritt er noch als ‚der Erlöser‘ auf, verkündet das NEUE TESTAMENT mit seiner Interpretation. „Gesucht wird Jesus Christus. Angeklagt wegen Diebstahl, Verführung Minderjähriger, Gotteslästerung, Schändung von Kirchen, Beleidigung von Obrigkeiten, Mißachtung der Gesetze, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Umgang mit Huren und Kriminellen…“ Doch es ist zwecklos, der breiten Masse, die sich wie ein Aasgeier auf jede Schlagzeile stürzt, sich halb krank lacht über seine Tobsuchtsanfälle („Wer mich anpöbelt, kriegt eins in die Schnauze!“), ihn zum ‚Horrorstar‘ der Edgar Wallace-Serie degradiert, irgendeinen Gedanken näherzubringen. Die Leute kommen nur, um zu pöbeln, wenige wollen ihn wirklich hören. Kinski, der sich auf die Tugenden Respekt und Anstand beruft, kann diese Menschen nicht begreifen. „Schlechtes Benehmen halten die Leute doch nur deswegen für eine Art Vorrecht, weil keiner ihnen aufs Maul haut.“ Im November 1971 bricht in der Berliner Deutschlandhalle nach kurzer Zeit ein Tumult aus. Letztendlich bleiben von den 5000 Menschen im Publikum nur rund einhundert übrig, um Kinskis Worten zu lauschen. Für sie weint er, für den Rest empfindet er nur Verachtung; er betitelt ihn mit den Worten ‚Dumme Säue‘ und ‚Scheißgesindel‘. Zu diesem zählt er auch die Journalisten, deren einziges Talent darin zu liegen scheint, möglichst aufsehenerregende Skandale aus dem Boden zu stampfen. Kinski wird das Opfer der Medien. Sie vermitteln das verzerrte Bild eines schwachsinnigen, exzentrischen Stars, verkaufen ihn als „meist unfreiwillig komischen, mimischen Exhibitionisten“. Für immer wird er Gefangener unverschämter Verleumdungen. Alle warten gebannt darauf, daß er ‚ausflippt‘. Kinski wehrt sich mit Gleichgültigkeit.

Auf Lob und Züchtigung kann er ‚getrost scheißen‘. Das Filmband in Gold schmeißt er in den Mülleimer. Eine Zeitlang nutzt er seine Popularität aus und läßt sich nur noch von Frauen interviewen, „nicht, daß die etwa begabter oder intelligenter wären, aber es besteht zumindest die Hoffnung, daß eine ein guter Fick ist.“ Später greift er die Presse souverän dort an, wo sie einzig verletzbar ist: an den Worten. Musterbeispiel hierfür eine Folge der Interview-Serie ZEIT ZU ZWEIT mit Desiree Nosbusch, deren Dummheit er als ‚rührend‘ zu bezeichnen weiß. Er läßt sich kaum noch von der Blödheit der Fragen provozieren. Entweder nutzt er die Antwort, seine in manchen Augen radikale Weltanschaung preiszugeben oder er zerpflückt die Worte seines Gesprächspartners bis zur Unkenntlichkeit. Er weiß: „Die Leute hier sind gefüttert mit ihrem blöden Vokabular, es ist alles ein einziges Mißverständnis.“ Talkshows, die er als ‚Zwangsnahrung für das Publikum‘ betitelt, nimmt er nicht ernst. Sehr zum Mißfallen seiner Produzenten, die schließlich davon absehen, mit Kinski irgendwelche Promotion-Verpflichtungen auszuhandeln.

1985 hat er in Deutschland seine letzten großen Presseauftritte anläßlich der Dietrich-Söldner-Scheiße GEHEIMCODE WILDGÄNSE. Beim unsäglichen Gottschalk versteht er nach kurzer Anlaufzeit keine Frage mehr, so daß dem mit seiner angeblichen Spontanität nichts gescheiteres mehr einfällt, als hohl zu grinsen. Die NDR-TALKSHOW nimmt er zum Anlaß, der Moderatorin Alida Gundlach pausenlos zu sagen, daß sie doch einen geilen Arsch habe und er nur wegen dieses hier sei. Wenige Tage später läßt er einen schleimigen Talkmaster in der TELE-ILLUSTRIERTEn, der in jeden Satz geschickt die Worte ‚Herr Kinski‘ integriert, so als würde er einen senilen Sack vor sich haben, sich das Maul so lange wässrig labern, bis dieser sich fast jede seiner hirnverbrannten Fragen selbst beantwortet.

Kinskis Haß auf die Heuchelei der Menschheit führt in wachsende Isolation. Er findet seine Freiheit und die liegt fernab der Zivilisation. Es wird still um ihn…

„Die Kultur vermag nichts und niemanden zu erretten, sie rechtfertigt auch nicht. Aber sie ist ein Erzeugnis des Menschen, worin er sich projiziert und wiedererkennt; allein dieser kritische Spiegel gibt ihm sein eigenes Bild.“ (Jean-Paul Sartre)

Oft spürt er die Reinkarnation. Kinski hat einen sicheren Instinkt, der ihm die Kraft gibt, das zu sein, was er will. Er spielt seine Rollen aus dem Stehgreif. Drehbüchern oder Anweisungen von Regisseuren schenkt er keine Beachtung. Auf Proben pfeift er. „Hinund Herlatschen, damit die Regisseure auch mal sehen, warum sie keine Phantasie haben, das mache ich nicht.“ Publizität erhält seine Arbeitsweise besonders im Zusammenhang mit Werner Herzog, mit dem er AGUIRRE, NOSFERATU, WOYCZECK, FITZCARRALDO und COBRA VERDE machte. Obgleich Kinski einmal öffentlich zugibt, gut damit beraten zu sein, nur noch mit Herzog zu drehen, empfindet er nichts weiter als Spott und Verachtung für den selbsterklärten Autodidakten. „Herzog ist ein miserabler, gehässiger, mißgünstiger, vor Geiz und Geldgier stinkender, bösartiger, sadistischer, verräterischer, erpresserischer, feiger und durch und durch verlogener Mensch.“ Das Drehbuch zu AGUIRRE tut er als ‚analphabetisch primitiv‘ ab. Darin sieht er allerdings seine Chance; so ist es nicht weiter verwunderlich, daß er sich von mehr oder weniger talentierten Schundregisseuren engagieren läßt, die nie ganz klar wissen, was sie eigentlich wollen, aber einen großen Namen zur Präsentation benötigen. Ihm geht es nicht um irgendeinen künstlerischen Anspruch, was immer der auch bedeuten mag. Wichtig ist, wieviel gezahlt und wo gedreht wird. Ein Angebot von Fellini, das mit einer Gage aufwartet, die eine ‚Unverfrorenheit‘ ist, schmettert er mit den Worten „Laß Dich in den Arsch ficken“ ab.

Nein, Kinski braucht keinen großen Regisseur; er inszeniert sich selbst, ist primär daran interessiert, den jeweiligen Film so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Wenn er akzeptiert wird, ist er am Set zumeist diszipliniert und sorgt für einen reibungslosen und schnellen Arbeitsgang. So auch bei Jess Francos JACK THE RIPPER, den er in acht Tagen ‚runterkurbelt. Auch mit d’Amato, für den er u.a. LA MORTE HA SORRISO ALL’ASSASSINO (Die Mörderbestien) dreht, kommt es zu keinen Komplikationen. Nur bei Herzog knallt es immer wieder. Das mag zum Teil an den Rollen gelegen haben: Woyczek läßt ihn erschaudern, wie bei Villon, Rimbaud, Van Gogh wird er von der frappierenden charakterlichen Ähnlichkeit zu dieser Person erschüttert. Es ist so, als würde Kinski das alles schon einmal erlebt haben. „Das Schlimmste, das ich je beim Film durchmachen mußte. Ich habe bereits gesagt, daß die Geschichte von Woyczek Selbstmord ist. Selbstzerfleischung. Jeder Drehtag, jede Szene, jede Einstellung, jedes Photogramm ist Selbstmord.“ Nach nur 16 Drehtagen ist der Film komplett abgedreht. Es ist der mit Abstand beeindruckendste Kinski-Film, dessen Intensität nie mehr erreicht wurde. Die Metamorphose ist hier vollkommen. Kinski ist Woyczek. „Den Höhepunkt der Schauspielkunst sehen viele darin, in die Haut eines anderen zu schlüpfen, um sich der darzustellenden Person anzupassen … Natürlich ist das Äußere ein Detail zur Vervollkommnung der Inkarnation, aber es ist nicht gesagt welches Äußere, und ist eben nur ein Detail, untergeordnet und von unterschiedlicher Bedeutung…“ Er gibt immer ‚alles‘, läßt sich von gerissenen Produzenten ‚benutzen‘, wobei er diesem Begriff die richtige Bedeutung zugesteht, denn er selbst sieht sich als teure Dirne und findet den Großteil seiner Filme ‚zum Kotzen‘. Trotzdem zählt für ihn immer noch die Prämisse, ‚Qualität zu liefern, wenn man dafür bezahlt wird‘.

Obwohl für Herzog bei COBRA VERDE das ‚Faß voll‘ ist, er in Kinskis Auftrag seinen Stammkameramann Thomas Mauch („Dieser Mauch hatte nicht eine einzige Aufnahme im Kasten, die nicht auf den Misthaufen gehörte.“) feuern muß, die Dreharbeiten immer wieder unterbrochen werden, weil Herzog zum Beispiel eine Szene in Kinskis Abwesenheit drehen ließ, ist das ganze nur vom Drang gesteuert, den Film vor der Unfähigkeit seines Regisseurs zu retten: In die Endszene, die zeigt, wie er zum Scheitern verurteilt ein riesiges Boot ins Meer zieht, steigert sich Kinski dermaßen rein, daß er beinahe ertrunken wäre.

Der Climax seines Schaffens folgt 1987, als er endlich die Möglichkeit hat, seinen eigenen Film zu machen. Das Projekt, einen Film um den berühmten Teufelsgeiger Paganini, geisterte schon lange in seinem Kopf herum. Bereits Ende der 60er Jahre hatte er fast die Finanzierung zusammen; damals wäre Horst Wendlandt mit einem Drittel beteiligt gewesen. Jetzt ist das Werk vollends in italienischer Hand. Die Mikro-Mafiosi Augusto Caminito und Alberto Alfieri produzieren PAGANINI. Mit den beiden macht Kinski nicht gerade seinen besten Fang: „Caminito küßte mich von jetzt ab immer auf den Mund. Es war ein Nutten- und Zuhälterkuß in einem. Alfieri tätschelte meinen Popo. Er ist nicht etwa schwul. Er denkt nur, er sei der Weihnachtsmann, der etwas beschert hat.“ Vorerst muß Kinski allerdings für die beiden ‚anschaffen‘ gehen. NOSFERATU IN VENEDIG heißt die filmische Ausgeburt, die dabei entsteht. Schon hier machen sich erste Anzeichen der etwas schlampigen Arbeitsmethodik des Produzentengespanns bemerkbar. Aber Kinski ist von PAGANINI besessen und nimmt alles in Kauf. Die Dreharbeiten von NOSFERATU… haben ein Positives: den künftigen PAGANINI-Kameramann Pier-Luigi Santi. Schon im Vorfeld scheidet Nastassja aus vertraglichen Gründen für die weibliche Hauptrolle aus. Nanhoi (im Titel als Niccolai) spielt Paganinis Sohn. Kinski selbst hat das Drehbuch geschrieben, führt Regie und spielt die Hauptrolle, für die er sich sogar alle Zähne ziehen lassen möchte (sein Zahnarzt rät ihm aber doch noch davon ab). Als der Film nach nur 46 Tagen abgedreht ist, steht Kinski mit dem Gauner-Duo Caminito und Alfieri, die sich selbst gegenseitig bescheißen, auf Kriegsfuß. Den vereinbarten Film nach PAGANINI, der in Afrika und Alaska spielen sollte, bricht er ab. Die Streitereien gehen soweit, daß man PAGANINI, nachdem er geschnitten und vertont ist, die Verbreitung in Form eines Verleihs verbaut und Kinski um eine Kopie seines Films regelrecht kämpfen muß. Der Film wird als ‚unspielbar‘ deklariert und verschwindet in der Versenkung.

„Weil ich, indem ich von der Welt Abschied nehme, in Ihrem Bilde auch von meinem ganzen vergangenen Leben Abschied nehmen möchte … Ich knie jetzt vor allem, was schön war in meinem Leben, und ich küsse es und danke ihm! Jetzt habe ich mich in zwei Hälften zerspalten: dort der wahnwitzige Tor, der davon träumte, in den Himmel emporzufahren … Hier der niedergebeugte und durchfrorene Greis, nur noch ein Hauslehrer…“ (Fjodor M. Dostojewski)

Am 23. November 1991 wird Klaus Kinski tot in seinem Haus in Kalifornien aufgefunden. Die Todesursache Herzversagen ist selbst für die Boulevard-Presse zu unspektakulär, um daraus einen großen Aufreißer zu machen. Sein Tod ist schnell abgetan, die üblichen Nachrufe sind schon nach wenigen Tagen durchgestanden. Er muß eben schnell aus den Köpfen der Leute verschwinden, bloß keinen Stolz auf den ‚rüpelhaften‘ Deutschen (was mir aber in gewisser Form tausendmal lieber ist, als die herausgequälten Tränen um die ‚große‘ Marlene D.).

Kinski hatte bei der Mehrheit schon zu Lebzeiten verspielt, da hilft auch keine große Trauer mehr. Er hat sie auch nicht nötig; etwas mehr Akzeptanz wäre ihm gerecht gewesen. Leider ist er an der Dummheit der Menschen gescheitert, die sich halbtot lachten, wenn er wie besessen seine Ideale von Ehrlichkeit und Freiheit lehrte oder notfalls auch einprügelte.

Auch wenn ihm das Leben nur erschwert wurde, widersetze er sich bei jeder Gelegenheit den Mechanismen der ‚korrupten‘ Gesellschaft. Seine Verhaltensweisen, insbesondere den Gebrauch der Sprache, stellte er absolut überzeugend dar: „Es kommt gar nicht darauf an, was jemand über Dich sagt. Das ist doch völlig unwichtig … Sagen bedeutet doch nichts. Wenn ein Mensch, der Dir alles bedeutet, etwas über Dich sagt, was Dich verletzt, dann ist es ‚was anderes. Dann ist es aber auch das Wort nicht so sehr, sondern das Mißverständnis.“

Seine Philosophie (nicht zuletzt durch die vielen ‚Inkarnationen‘ geprägt) ist in ihrem Ziel erstrebenswert: „… Die Leute würden sich vielleicht nicht andauernd totschlagen auf der Welt, würden sich vielleicht ein bißchen mehr respektieren und mehr Achtung voreinander haben. Ich gehe ja niemandem auf die Nerven. Ich laufe den Leuten nicht hinterher, ich stelle ihnen keinen Fuß. Ich sag‘ nicht: Warum wollen Sie nicht mit mir zusammensein? Warum wollen Sie meine Gesellschaft nicht? Warum wollen Sie nicht alles mit mir teilen … Was ist denn das für ein Unsinn? …“

Sein Wesen ist unsterblich… Irgendwann kommt Kinski wieder…

Zuerst erschienen in Splatting Image #12, Dezember 1992.