Komplexe Kontroverse (nicht nur) für Tante Trude.

THE RAVINE OF GOODBYE beginnt mit der Verhaftung der Ü30er-Mutter Satomi, die ihren kleinen Sohn umgebracht hat. Da ihr Nachbar Shunsuke in seiner Jugend am Gang-Rape einer Mitschülerin beteiligt war, gerät auch er in den Fokus des darauf folgenden Medienrummels um die Kindsmörderin. Shunsukes eigene Frau Kanako bezichtigt ihn schließlich, eine Affäre mit Satomi gehabt und somit Mitschuld an der Ermordung des Kindes zu haben. Als der Journalist Watanabe in Shunsukes Vergangenheit rumwühlt, entpuzzelt sich langsam eine Geschichte um Schuld, Sühne und Katharsis.

Regisseur Tatsushi Omori ist abonniert auf ruhige, unangenehme Charakterstudien für ein erwachsenes Publikum. Auch in seinem fünften Film, dem auf manchen Festivals sogar eine Diskussionsrunde folgte, widmet er sich einem kontroversen Thema: Hat ein Vergewaltiger überhaupt ein Recht auf – wie auch immer geartete – Sühne?

Im Verlauf des anfangs etwas verwirrenden Films entpuppt sich die Geschichte um die Kindstötung nämlich als MacGuffin, die Beziehung von Shunsuke und Kanako rückt ins Zentrum der Geschichte. In zahlreichen Rückblenden wird die Psycho-Odyssee des Pärchens aufgearbeitet.

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THE RAVINE OF GOODBYE wurde vom renommierten japanischen Filmmagazin “Kinema Junpo” zu einem der zehn besten Filme des Jahres 2013 gekürt. Auszeichnungen und Nominierungen für die Kanako-Darstellerin Yoko Maki folgten auf fast jedem japanischen Festival, sogar bei den japanischen Oscars 2014. Der Grund, vor allem für Letzteres, ist auch zugleich das größte Manko des sehr ambitionierten und komplexen Films. Anscheinend hat sich das Publikum des 21.Jahrhunderts die Erzählroutinen des Fernsehens dermaßen ins Gehirn tätowiert, dass die wirklich entscheidenden Dialoge in THE RAVINE OF GOODBYE mit dem Reporter Watanabe geführt werden müssen. Noch enttäuschender ist die Einführung einer zweiten Reporterin, die Nachforschungen über Kanako anstellt, damit brav Tante-Trude-anbiedernd die andere Seite auch noch vorgekaut werden kann. Jenseits dieser Schwachstellen liefert Omori dank seiner ambivalenten Charakterzeichnungen allerdings immer noch genug Eckpunkte, die für eine Diskussion förderlich sein können. Seit seinem Transgressiv-Holzhammer-Debüt THE WHISPERING OF THE GODS hat der sich immer mehr zu einem eigenwilligen Psycho-Drama-Regisseur gemausert. Seine eindeutige Stärke bei THE RAVINE OF GOODBYE ist die wirklich nahegehende langsame Inszenierung, deren Höhepunkt ein langes, wortloses Verweilen von Kanako auf einer Brücke ist. Das, und nicht die zurückhaltenden Sex- oder Gewaltszenen, sind dann auch die Bilder, die in ihrer Ruhe zum Nachdenken anregen.

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Sayonara Keikoku, Japan 2013 | Regie: Tatsushi Omori, Buch: Tatsushi Omori, Ryo Takada, Vorlage: Shuichi Yoshida | Mit: Shima Ohnishi, Yoko Maki, Nao Omori, u.a. | Laufzeit: 118 Minuten, noch ohne deutschen Verleih.

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