Diktaturen mögen keine Horrorfilme, vermutlich, da sie ihr subversiven Potenzial fürchten, die unkontrollierbare Beschwörung des Unterbewusstseins. Mir ist keiner aus Nazideutschland bekannt, dieweil die Weimarer Republik für ihre kunstvolle „dämonische Leinwand“ weltberühmt war. Gleiches gilt für Festlandchina, aus dem mir bislang nur SUFFOCATION begegnete, der selbsternannte „first chinese psycho movie“.
Eine optisch leckere, ätherische Bewältigungs-Allegorie dichtet hier Wang Song, der eher das Schräge und Bizarre lustvoll raunend vorführt, was trotz Wesen im Wandschrank und Voodoo-Puppe keineswegs unheimlich gerät. Zumal auch Nachtszenen hell gestaltet sind und der Protagonist in einer Doppelrolle als Schizophrener ununterbrochen mit sich selbst spricht und dabei der beste Kumpel seiner zweiten Persönlichkeit ist.
Nach der Scheidung versucht der mit gespaltener Persönlichkeit lebende Schriftsteller Brando (sic!) sich mit seiner 13-jährigen Tochter Zippo (nochmal: sic!) zu versöhnen, indem er mit ihr einige Tage in einer Bergvilla verbringt. Ein stummer Gärtner mit fieser Narbe im gesicht und die sexy Schwester des Besitzers lösen im Verlauf des Aufenthalts einige seltsame Geschehnisse aus – noch seltsamer als Brandos Selbst-Gespräche.
Damit entsteht ein gewitzt-wirres Buddy-Movie, dem eine vom Drang dauernd originell zu sein geleitete Regie überinszenierte Verspieltheit verleiht, derweil sie mit psychologischen Stereotypen hantiert. Was trotz Symboldauerbeschuss sehr flach bleibt. Dafür thront die Villa wie ein Bergkloster über dem kahlen Gestrüpp des Winterwalds, der in fahlen Farben zu gefallen weiß und von einem zierlichen Score untermalt wird.
Viel Mysteriöses und wenig Handfestes bestimmt das ganz modern und in der Ästhetik des sauber geputzten neuem Mittelstands erstrahlende Psychorätsel, in das sich das Übernatürliche wie selbstverständlich integriert. Gleichwohl steht nur vereinzelt Iieks und Gegrusel an, erschreckend ist bestenfalls die wechselhafte Qualität mancher Pixeleffekte. All das bleibt überwiegend ansehnlich, aber auch ohne echten Mehrwert.
Eine abgeschiedene Welt zu erschaffen, gelingt nie ganz überzeugend. Und der Twist wie aus der Feder des Berliner Psychothriller-Stars Sebastian Fitzeks (NOAH) folgt mit dem Überkonstrukt um Imagination, Amnesie, Trauer und Verdrängung nur bekannten Pfaden. Außerdem rührt er nicht. Was auch dem weichgespülten Lavendelkitsch am Ende zuzuschreiben ist. Dennoch: Interessant ist ENCHANTED DOLL allemal, aber kein Vergleich zu RIGOR MORTIS.
Erschienen auf Komm & Sieh
Gui Xian Sheng (Enchanted Doll), China 2014 | Regie: Wang Song, Buch: Mingzhi Tang | Mit: Hao Zheng, Qingzi Kan, Caiqi Yang, u.a. | Laufzeit: 84 Minuten, noch ohne deutschen Verleih.