Den Kündigungsanruf seines Chefs behält Jim für sich, um den letzten Urlaubstag seiner Familie nicht zu verderben. Gemeinsam mit seiner krittelnden Frau Emily und den jungen Kindern Sara und Elliot besucht er die Walt Disney World, wo er zwei jungen Französinnen nachsteigt und Wahnvorstellungen verfällt.
CARNIVAL OF SOULS in Disneyland? Wie Debütant Randy Moore eigene Ideen in Schwarzweißbilder gießt, ganz ohne offizielle Genehmigung der Vergnügungsparks, gebiert ein surreales Mind-Fuck-Movie der bizarren Art. Ist ein Besuch in Disneyland auch so schon ein Horrortrip, taumelt ein Familienvater hier vor halbdokumentarischer Handkamera durch einen wahren Alptraum, der gleichwohl nur bedingt überzeugt.
Was einerseits an den suggestiven Tagträumen liegt, in denen eine unsägliche Tröte gnadenlos unsubtil zwei sündigen Früchtchen nachsteigt, während ihm seine extranervige Frau permanent Schuldvorwürfe macht und ihn der ödipal aggressive Sohn sabotiert. So folgt ein frustrierter Daddy zwei jungen Schürzen und anderen sexuellen Versuchungen, bis man sich auf dem Beichtstuhl braver Katholiken wähnt.
Leider ist der Protagonist dabei so unsympathisch, mal lausiger Jammerlappen, mal saufendes Riesenbaby, dass Mitleid ausgeschlossen ist – ganz zu schweigen von seiner abtörnenden Gattin, die sich als echte Bitch bewirbt. Das Schmalspurthema, die Ehebruch-Verlockung, gepaart mit einem Schuldkomplex-Szenario, wandelt sich langsam zum Drama, wie einem drögen Luschen sein Leben entgleitet.
Nun fängt er paranoid zu spinnen an, begegnet Sex-Hexen von Oz und anderen surrealen Kalibern – aus dem Psychoporträt eines aufgedunsenen Versagers wird eine desorientierende Schizo-Fantasie, eine Anleitung, wie man binnen Tagesfrist dem Wahnsinn verfällt. Einerseits ist das eine Allegorie auf eine zerbrechende Ehe mit tragischem Ausgang, kippt aber auch zeitweilig in ein kryptisches SciFi-Experiment (von Siemens) um.
Psychoanalytisch ergiebig stürzt dieser Bilderbogen zwischen Roman Polanski, Luis Buñuel und Darren Aronofskys BLACK SWAN in die Regression, nicht von ungefähr angesiedelt in einem Kinderbelustigungspark. Nach Verfolgungs- und Krankheitswahn transformiert sich die Familie wie in einer David-Lynch-Halluzination. Eben doch Seelenhorror, garniert mit süßer Musik und Disney-Magie, die sich als ziemlich teuflisch erweist.
Erschienen auf Komm & Sieh
Escape From Tomorrow, USA 2013 | Regie/Buch: Randy Moore | Mit: Roy Abramsohn, Elena Schuber, Katelynn Rodriguez, u.a. | Laufzeit: 90 Minuten, noch ohne deutschen Verleih.