Der britische Videoclipper Jonathan Glazer erwies sich 2000 mit seinem grotesken Poolduell SEXY BEAST als Entdeckung, verwirrte vier Jahre darauf mit dem kryptischen BIRTH. Seine dritte Arbeit, sehr frei nach Michel Fabers vieldeutigem Romandebüt, ist hochambitioniert, aber auch in erheblichem Maße apathisch und einfältig, variiert Nicolas Roegs DER MANN, DER VOM HIMMEL FIEL kalt, unheilvoll und hermetisch.
Ein Alien hat die Gestalt einer verführerischen Frau angenommen, liest mit einem Kleinbus alleinstehende Männer von den Straßen rund um Glasgow auf und lockt sie in ein schäbiges Haus. Dort werden die sexuell Erregten vom schwarzen Boden verschluckt, ihr namenlose Komplize beseitigt Spuren. Die Lady erledigt ihre Aufgabe ungerührt, bis sie nach einigen bizarren Begegnungen damit zu fremdeln beginnt.
Scarlett Johansson beweist Mut, sich mit ihrem Image als Sexsymbol bis unter die libidinöse Haut zu entblößen. Als gefühlskalte Außerirdische fehlt ihr in dem minimalistischen, dialogarmen Drama das Gegenüber, oder die Möglichkeit, mehr auszudrücken als ihre stumme Andersartigkeit. Als Stimme von HER artikulierte sie nuancierter denn nur verständnislose Verwunderung für die Welt der Menschen und sich selbst als Maschine.
Der Auftakt berückt: Abstrakte Formen, Sprachübungen und das Elektro-Soundscape ergeben einen fremdartig-finsteren, alptraumhaften Rausch, der an Kubricks 2001 gemahnt. Solche Experimentalstrecken sind jedoch rar. Meist sieht Glazer seinem figurbetonten, üppigen Lockvogel zu, wie er Männer aufzugabeln versucht: Elliptische Abfolgen in handlungsverkürzender Montage, eine alltagsbanale, dokumentarische Collage.
Ein schwarzer Grundton dominiert, farblich wie stimmungsmäßig, aber auch was die kaum zu durchdringende Rätselhaftigkeit der reichlich spärlichen Story anbelangt. Glazer verschreibt sich dem Visuellen und Surrealen, aber gerade davon bietet er variationslos wenig. Unterschwellig brodelt Unbehagen, nur wirklich Beklemmendes wie das schreiende Baby am Strand oder den Elefantenmensch gibt es zu selten, Ansichten öder hingegen Stadtstraßen zu oft.
Es passiert und man erfährt zu wenig, um wirklich involviert zu werden, sowohl was den mysteriösen Motorradfahrer betrifft, der als Auftraggeber und Cleaner fungiert, als auch die Sinnkrise einer in fremder Haut Steckenden, die ein schottischer Gentleman ihre Mission hinterfragen lässt. Auch wenn die Bilder originell ausfallen, die ein, zwei lyrischen Momente schottischer Seelenlandschaften können die Monotonie nicht emotional auftauen.
Auf existenzialistischer Waldwanderschaft, wo sie ein Vergewaltiger verfolgt, endet die Selbsterkenntnis einer Roboterhaften, die, tja was, Gefühle? entdeckt. Diesmal ist die Venusfliegenfalle selbst die Beute. Eine sardonische Pointe? Depressive Mystik? Oder lediglich Mangel an Ideen? Wenn am Ende alles Schnee und Rauch wird, ist das als Kunstinstallation interessanter denn als distanziertes Narrativ und nicht mal so hypnotisch wie BEYOND THE BLACK RAINBOW komponiert.
Überarbeitete Fassung von Komm & Sieh
Under the Skin, Großbritannien/USA/Schweiz 2013 | Regie: Jonathan Glazer, Buch: Walter Campbell, Jonathan Glazer, Buchvorlage: Michel Faber | Mit: Scarlett Johansson, Jeremy McWilliams, Lynsey Taylor Mackay, u.a. | Laufzeit: 108 Minuten, Verleih: Senator (Videostart: 24.09.2014).