Wim Wenders Hommage an einen großen Humanisten.

Leben und Werk des seit 40 Jahren mit seinen Konzeptbildbändern für sich Weltruhm verbuchen könnenden brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado bringen dessen ältester Sohn Juliano (Farbaufnahmen) im Schulterschluss mit dem seit BUENA VISTA SOCIAL CLUB und PINA auch im Dokufach hochgeschätzten Wim Wenders (Schwarzweiß) an. Sie begleiten den rastlos Reisenden bei seinem „Genesis“-Projekt und lassen aus drei Perspektiven chronologisch und sehr persönlich seine Biografie Revue passieren, während der inzwischen 70-Jährige in Doppelbelichtungen seine Erinnerungen zu den verschiedenen Fotoserien schildert.

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Beim Porträt Salgados, der „mit Licht und Schatten malt“ und mit viel Empathie die Menschen als das Salz der Erde betrachtet, zeigt Wenders seine künstlerische Könnerschaft, die zunächst ein vortreffliches Kulturprogramm bedeutet (nicht mehr, nicht weniger) und über einen Exilanten berichtet, der seine Weltbankkarriere für seine Berufung als Fotograf aufgab, der seine Familie jahrelang kaum sah und dessen zweites Kind mit Down Syndrom geboren wurde. Mit der Werkschau, die sich mit „Sahel“ und „Exodus“ aber zunehmend Hungersnöten und Flüchtlingselend widmet, wird die Diktion intensiver und bedrückender.

Rastlos sucht Salgado die Krisenherde dieser Welt auf, ein Humanist, der das Inhumane der Politik bezeugt und im Völkermord in Ruanda, dem Bosnienkrieg und anderen Schreckenszonen Massensterben und Leid dokumentiert. Er schildert seine Erlebnisse eindringlich und die Bilder Sterbender und Verhungernder sind so explizit wie seine Erkenntnis, dass der Mensch ein grausames Tier ist. In dieser Phase seines Lebens verliert Salgado nicht nur den Glauben an die Menschheit, seine Seele nimmt so sehr Schaden, dass er innerlich fast daran zerbricht.

Und seine rauen Schwarzweißbilder lassen dies unmittelbar nachvollziehen. So sehr, dass man aufatmet, als sich Salgado nach seinem Rückzug als Wilflife Fotograf neu erfindet und mit „Genesis“, einem Album über unberührte Natur, nach all dem Negativen nur noch das Positive summiert. Ein innerer melodramatischer Tonus wie bei FINDING VIVIAN MAIER ergibt sich aus dieser Struktur naturgemäß nicht, aber es ist eine weitere faszinierende Hommage an einen großen kontemporären Künstler, die der just an KATHEDRALEN DER KULTUR beteiligte Wenders neuerlich lanciert.

Erschienen auf Komm & Sieh

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The Salt of the Earth (Das Salz der Erde), Brasilien/Italien/Frankreich 2014 | Regie: Juliano Ribeiro Salgado, Wim Wenders | Mit: Sebastião Salgado, Wim Wenders, Juliano Ribeiro Salgado, u.a. | Laufzeit: 110 Minuten, Verleih: NFP (Kinostart: 30.10.2014).