Erbaulich-Rührseliges für die Wacken-Fraktion sendet einer der profiliertesten Regisseure Islands, Ragnar Bragason (FIASKO und KINDER), in den Äther: Die traurige Rebellion eines missverstandenen Teenagers (zum Niederknien: Thora Bjorg Helga aus Baltasar Kormákurs THE DEEP), ein in wenigen Strichen genau getroffenes Coming of Age eines Schwarzen Schafs im ländlichen Spießer-Milieu mitten in den 80er Jahren.
Als Hera 12 ist, wird ihr angebeteter älterer Bruder durch einen Mähdrescherunfall jäh aus dem Leben gerissen. Hera übernimmt seine Persona – Lederjacke und E-Gitarre -, um Trauer und Wut mit Heavy-Metal-Riffs auszudrücken. Nach Ende ihrer Schulzeit nimmt ihre Rebellion destruktive Ausmaße an.
Der milchig-trübe Look des Biedermeier-Bauernhofs und der braven Bürger gerinnt in keinem Augenblick zu Stereotypen, weil es alle seine Figuren ernst nimmt, aber auch genug dunkle Komik kennt, um den psychologischen Hilferufen eines Mädchens, die keiner erhören will, viele Facetten abzugewinnen. Dass die Zeit keine Wunden heilt, widerlegt Bragason am Ende, aber es ist wahrlich ein steiniger Pfad zur Trauerbewältigung.
Diese haben Heras Eltern nämlich verweigert, was ihre Ehe beträchtlich belastet und aus Hera eine wortkarge Einzelgängerin macht, die ihren Frust in der Einöde im Alkohol ersäuft, Grundzustand: angepisst. Sie lebt mit Fuck-You-Attitüde in ihrer eigenen Welt der Metal-Götter, ein Asgard der harten Riffs, mit denen sie die Scheune rockt. Die wilde Braut begeistert damit nicht nur Jünger klassischer Hardrock- und Metal-Heroen.
Wie eine gebrochene Seele ihrem Schmerz Ausdruck verleiht, weil sie keiner verstehen will, wie sie, vom Tode besessen, zunehmend Schaden anrichtet, bis sie aus Wut auf Gott die Kirche niederbrennt, das ist schon ein unheimlich starkes Drama, das Bragason lakonisch gefühlsgenau ansetzt. Die Einwohner mögen verschreckt sein, sind aber empathisch und im Rahmen ihrer Möglichkeiten um ihren aggressiven Spross bemüht.
Nichts ist unverzeihlich oder nicht zu bewältigen, Erlösung kommt auch in Form einer sehr komischen Band, die ihr Demo veröffentlichen will, was zu Heras erstem Gig führt, vor konsterniertem Publikum in der Dorfhalle. Diese Sinn- und Platzsuche aus einer Zeit, als Metal noch echter Bürgerschreck war, lässt eine Familie zusammenhalten und gemeinsam abmoshen, in einem Express-Yourself-Through-Your-Art-Movie.
Erschienen auf Komm & Sieh
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Málmhaus (Metalhead), Island 2013 | Regie/Buch: Ragnar Bragason | Mit: Thora Bjorg Helga, Ingvar Eggert Sigurðsson, Sveinn Ólafur Gunnarsson , u.a. | Laufzeit: 97 Minuten, noch kein deutscher Verleih.