Von Thorsten Krüger
Stand beim transgressiven Gore-Schocker INSIDE der herausgeschnittene Fötus am Ende, steht er hier am Anfang. Wer jetzt auf ungebremsten Tabu-Splatter hofft, wird definitiv enttäuscht. Denn nach diesem intensiven Hardcore-Opening – wieder mit einer blutsaufenden Béatrice Dalle, wenn auch nur in einem Cameo – versumpft das dritte Feature der Franzosen Alexandre Bustillo und Julien Maury und ist so unentschlossen und inkonsistent wie ihr Zweitling LIVID.
Am letzten Schultag vor den Sommerferien entwischen Victor, Tom und Dan ihrem Schularrest und stromern unter einem Abstecher zu einer Scheune, die sie kurzerhand abfackeln, zu den verfallenen Bauten eines seit Jahren verlassenen Filmstudiogeländes. Wo sie im Kofferraum eines Wagens eine gefesselte Frau finden und ihren maskierten Entführer, der sie verfolgt und ihnen in der kommenden Nacht zu Hause heimtückisch auflauert.
Wenn ein Trio, wie von Stephen King und Steven Spielberg gemeinsam erdacht, ein Verschleppte in den Händen einer TCM-würdigen Sippe vorfindet, spielt diese offenbar lebensbedrohte Gefangene die nächste halbe Filmstunde plötzlich keine Rolle mehr. Was also ein Thriller werden müsste, steigt dramaturgisch aus und widmet sich der mal heilen, mal kaputten Familiensituation von Menschen, die die einfachsten Dinge nicht können.
Solche Familienkonstellationen schneiden Bustillo/Maury vielversprechend an, vertiefen aber nichts, bringen vieles nicht einmal auf einen Nenner und wissen auch mit den verwilderten Studiokulissen nur wenig anzufangen. Als träger Thriller ist AMONG THE LIVING unglaubwürdig, als Alptraum (der er ist) ungeschickt vermittelt. Zärtlichkeit und Splatter wollen einfach nicht harmonieren, wodurch die bisweilen exzessive Brutalität deplatziert wirkt.
Erschienen auf Komm & Sieh
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Aux yeux des vivants (Among the Living), Frankreich 2014 | Regie/Buch: Alexandre Bustillo, Julien Maury | Mit: Théo Fernandez, Zacharie Chasseriaud, Damien Ferdel, u.a. | Laufzeit: 90 Minuten, Verleih: Tiberius (noch kein Videostart).