Asiatische Perlen in Blau. Von Gerd Naumann

Von Gerd Naumann

branded.to.kill.1967.cover Nachdem sich die Blu-ray in den vergangenen Jahren als optimales Medium für die bestmögliche Filmwiedergabe durchsetzen konnte, erscheinen in jüngster Zeit mehr und mehr Klassikertitel, die es ehedem auf DVD gab. Auch Rapid Eye Movies bringt nun dankenswerterweise kontinuierlich zahlreiche fernöstliche Titel in High Definition noch einmal heraus. So wurde Seijun Suzukis Gangsterfilmklassiker BRANDED TO KILL (KOROSHI NO RAKUIN, 1967) bereits vor einigen Jahren veröffentlicht, aber der neue Transfer für die Blu-ray schlägt die alte Scheibe um Längen. Bereits der mit Kugelgeräuschen unterlegte Vorspann und die anschließende tieftraurige urbane Ballade von Komponist Naozumi Yamamoto ziehen den Betrachter sofort in ihren Bann. Die Geschichte um den Auftragsmörder Goro Hanada, der sich aufgrund von Gewissensbissen von seiner Organisation distanziert und zum Gejagten wird, hat die Ausmaße einer griechischen Tragödie. Suzuki lässt uns an der gesamten Bandbreite menschlicher Emotionen teilhaben – Liebe, Hass, Verrat und Skrupel lassen die kühlen Schwarzweißbilder regelrecht implodieren.

branded.to.kill.1967.still Regisseur Suzukis Werk ist eine Hommage an den klassischen amerikanischen Film Noir, der in den 1960er Jahren vor allem auch durch französische Filmemacher eine Würdigung und Weiterentwicklung erfuhr. Auch Suzuki hatte dem Genre mit Filmen wie TOKYO DRIFTER (TÔKYÔ NAGAREMONO, 1966) zuvor eine Reverenz erwiesen, spitzte diese aber in BRANDED TO KILL derart zu, dass das produzierende Studio Nikkatsu den gemeinsamen Vertrag auflöste. Was damals verstörend und artifiziell wirkte, erweist sich in der Rückschau als zeitloser Thriller, der unter den vielen asiatischen Filmen der damaligen Produktionsära herausragt. Die Blu-ray weist eine hervorragende Bildqualität auf, der Ton ist in Japanisch mit Untertiteln abrufbar. Dem edlen Pappschuber zur Standardhülle liegt ein sechzehnseitiges Booklet bei, dass neben einem Essay auch die Filmographie von Seijun Suzuki beinhaltet. Auf der Scheibe finden sich neben dem Kinotrailer ausführliche Interviews mit dem Regisseur, dem Set-Designer Takeo Kimura und dem Hauptdarsteller Jô Shishido.

lone.wolf.and.cub.1972.cover Vom Gangsterfilm geht es mit LONE WOLF AND CUB (KOZURE ÔKAMI, 1972-1974) zum Genre der schwertschwingenden Samurai. Die sechsteilige Filmreihe von Yoshiyuki Kuroda ist auch als OKAMI-Saga bekannt und basiert auf einer bekannten Manga-Serie von Kazuo Koike und Gōseki Kojima. Koikes Bildgeschichten dienten unter anderem auch als Vorlage für Filme wie LADY SNOWBLOOD (SHURAYUKI-HIME, 1973). Tomisaburo Wakayama gibt in LONE WOLF AND CUB Ogami, den Henker des Shogun. Als sich Ogami einem Befehl seines Herrn widersetzt, wird er zum Ausgestoßenen. Fortan ist er mit seinem kleinen Sohn auf der Flucht, verdingt sich als Auftragsmörder. Jederzeit muss er damit rechnen, dass er gestellt wird. Aus Liebe zu seinem Sohn nimmt er diese schwere Bürde auf sich…

lone.wolf.and.cub.1972.still Die sechs Spielfilme sind in Form und Gestaltung unterschiedlich, jeder der Regisseure Kenji Misumi, Yoshiyuki Kuroda und Buichi Saito brachte eine eigene Handschrift mit in die Reihe ein. Wakayamas bulliges Spiel, das zugleich Verletzlichkeit und Fürsorge für den Sohn ausstrahlt, lässt die exzellent choreographierten Schwertsequenzen umso eindrucksvoller erscheinen. LONE WOLF AND CUB war stilbildend für eine ganze Armada fernöstlicher Samurai- und Historienfilme und ist daher eine eindeutige Empfehlung für Liebhaber sowohl fernöstlicher Filmkunst als auch ansprechender Filmwerke im Allgemeinen. Die Edition von Rapid Eye Movies umfasst drei Blu-rays, es befinden sich jeweils zwei Filme auf einer Scheibe. Auch hier ist die Bildqualität hervorragend und nochmals weitaus besser als jene älterer DVD-Editionen. Der Ton liegt in Japanisch mit optionalen Untertiteln vor. Neben dem wertigen Pappschuber bietet auch diese Edition ein informatives sechzehnseitiges Booklet.

audition.1999.cover Das Streben nach der möglichst perfekten Beziehung wird in Takashi Miikes AUDITION (ÔDISHON, 1999) dem vermögenden Witwer Aoyama zum Verhängnis. Er organisiert ein Casting für ein fiktives Filmprojekt, um die potentielle Dame seines Herzens ausfindig zu machen. In der ebenso unscheinbaren wie rätselhaften jungen Frau Asami scheint er zu finden, was er gesucht hat. Asami allerdings birgt ein dunkles Geheimnis, das die Zuschauer gemeinsam mit Aoyama entdecken. Der Film beginnt ruhig und macht mit den Beweggründen des Witwers vertraut, schlägt dann aber abrupt in eine vorher nicht zu erahnende Richtung um. Es beginnt eine Tortur, der das Publikum wie Aoyama bedingungslos ausgeliefert werden.

audition.1999.still AUDITION ist ein Film, der retrospektiv betrachtet zwei relevante Themen der Moderne aufgreift. Zum einen weist das Verhältnis von Aoyama und Asami auf die zunehmende Anonymität der Menschen in urbanen Lebensmodellen hin. Vereinzelung und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Gefühlswelten der Mitmenschen werden durch Miikes Inszenierung auf grotesk-bittere Weise überspitzt, so dass einem die Erkenntnis im Halse stecken bleibt. Zum anderen ist AUDITION auch eine kluge Reflexion auf die mediale Inszenierung von Menschen beziehungsweise Menschenkörpern, die trotz des schönen Scheins, etwa durch das eingangs thematisierte Casting, einen inneren Zwiespalt mit sich herumtragen. Entkörperlichung des Subjekts und die Entgrenzung der Menschen in urbanen Städten – das sind die mitschwingenden Themen in diesem modernen Klassiker. Auch bei AUDITION ist die Blu-ray ein qualitativ immenser Mehrgewinn gegenüber den älteren DVD-Auflagen. Der Ton ist wahlweise in Japanisch oder in deutscher Synchronfassung abrufbar, dazu lassen sich optionale Untertitel anwählen. Dem Schuber liegt wiederum ein sechzehnseitiges Booklet bei, auf der Scheibe findet sich ein langes und hochinformatives Interview mit dem Regisseur.

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Koroshi No Rakuin, Japan 1967, R: Seijun Suzuki, D: Jô Shishido, Mariko Ogawa, Mari Annu, Isao Tamagawa, Hiroshi Minami, Kôji Nanbara u.a.

Kozure Ôkami, Japan 1972-1974, R: Kenji Misumi, Yoshiyuki Kuroda und Buichi Saito, D: Tomisaburô Wakayama, Fumio Watanabe, Shigeru Tsuyuguchi, Shigeru Tsuyuguchi u.a.

Ôdishon, Japan/Südkorea 1999, R: Takashi Miike, D: Ryô Ishibashi, Eihi Shiina, Ken Mitsuishi u.a.

Anbieter: Rapid Eye Movies

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