Von Bodo Traber
Sam Wanamakers weißes Haupt mit dem freundlichen, runden Gesicht assoziiert man gern mit den vielen distinguierten Leinwandrollen, die der unverwechselbare Schauspieler im Lauf seiner Karriere mit Leben füllte. Weniger bekannt sind seine Regiearbeiten, unter denen neben dem Ray-Harryhausen-Trickfilm SINBAD AND THE EYE OF THE TIGER (1973) vor allem CATLOW (1971) und THE FILE OF THE GOLDEN GOOSE heraus ragen, in denen Wanamakers Freund Yul Brynner in höchst unterschiedlichen Rollen brillierte. THE FILE OF THE GOLDEN GOOSE entstand 1968 in England, wohin der Amerikaner Wanamaker einst vor dem Komitee für un-amerikanische Umtriebe geflohen war. Hier hatte er das legendäre Globe Theatre William Shakespeares wieder etabliert und das Sam Wanamaker Playhouse gegründet. Er kehrte nicht mehr in die USA zurück.
Damals wenig beachtet, eröffnet sich retrospektiv ein anderer Blick auf diesen Film: Auch wenn sich die – vor dem Hintergrund des legendären Postraubs entstandene – Jagd auf die Falschgeldbande während der James-Bond-Ära offensichtlich anachronistisch ausnahm, gelingt der Brückenschlag über die Genres. Dass sich das düstere Film-Noir-Universum der Vorbilder fast unverändert in die Paranoia des Kalten Krieges übertragen ließ, beweist seine Zeitlosigkeit – niemand ist hier, der er zu sein scheint oder vorgibt, und Gefahren lauern überall und in jedem Augenblick: Eine zufällige Begegnung mit der eigenen Frau wird für Thompson zum Todesurteil, Novak kann sein Leben nur noch schützen, indem er selbst über Leichen geht. Es ist das Credo der Agenten, das ihr Leben bestimmt: Während der gutmütige Thompson sich und seine Familie zu Hause in relativer Sicherheit wähnt, solange er einen überschaubaren Auftrag ausführt, weiß Novak, dessen Freundin in New York an seiner Stelle erschossen wurde, dass es ein privates Leben, gleichsam ein eigenes Leben, für einen Undercoveragenten nicht mehr gibt – die vermeintlichen Jäger sind einsame Morituri, Todgeweihte, ihr Auftrag ein Himmelfahrtskommando. Und es ist ihre Dienstpflicht, einsam und todgeweiht zu sein, weil sie andere sonst mit in den Tod reißen.
Im Gegensatz zum populären 007 hatten dessen Kino-Kollegen meist die Lizenz zum Sterben in der Tasche. Der britische Spionagefilm, der sich im Zuge von Martin Ritts THY SPY WHO CAME IN FROM THE COLD entwickelt hatte, zeichnete lange ein besonders nihilistisches Weltbild; desillusioniert und gebrochen waren seine Helden und schmutzig und sinnlos ihr Geschäft. Im Zuge des großen Revival der kontinentalen Eurospy-Filme, das selbst eher zwiespältigen Werken wie SECHS PISTOLEN JAGEN PROFESSOR Z. oder AGENT 505 – TODESFALLE BEIRUT kultische Verehrung und edle DVD-Editionen bescheren konnte, ist der klassische britische Agentenfilm inzwischen leider großteils in der Obskurität verschwunden. Zu Unrecht heute fast vergessene Beispiele wie Seth Holts genialer DANGER ROUTE (RATTEN IM SECRET SERVICE), Don Sharps brutaler CALLAN (DEN AASGEIERN EISKALT SERVIERT), Jack Golds verschmitzter CHARLIE MUFFIN, Otto Premingers nachtschwarzer THE HUMAN FACTOR, die Harry-Palmer-Filme mit Michael Caine und die – von Jimmy Sangster erdachten – John-Smith-Filme harren ebenfalls seit langem ihrer Wiederentdeckung.
DIE SPUR FÜHRT NACH SOHO ist im Verbund mit zwei weiteren empfehlenswerten, wenn auch etwas angestaubteren Cold-War-Klassikern, FOREIGN INTRIGUE (DIE FÜNFTE KOLONNE) und THE NIGHT PEOPLE (DAS UNSICHTBARE NETZ), erschienen, was als Triplet in jedem Fall eine Lücke in jeder Agentenfilmsammlung schließt und einen durchaus repräsentativen Einblick in die dunkle Seite eines dunklen Genres bietet.
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The File of the Golden Goose, Großbritannien 1969, R: Sam Wanamaker, D: Yul Brynner, Edward Woodward, Graham Crowden, Adrienne Corri, Charles Gray, u.a.
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