Mann, Männer, am Männesten… Von Bodo Traber

Von Bodo Traber

Und das Grindhouse-Programm geht gleich in die Vollen mit einem Trailer-Special u.a. zur – traurig wirkenden – französischen Reportage über eine Frau mit sprechendem Geschlechtsteil (das ein bisschen klingt wie Hans Clarin als Pumuckl nach einer Hormonkur), einigen – öde wirkenden – Einträgen der unteren Kategorie aus der Werwolf-, Martial Arts- und Spaghettiwestern-Nische und dem – deprimierend wirkenden – tragischen Schicksal eines Vietnam-Veteranen, den sein Trauma zur kahlköpfigen Bestie der Wollust werden ließ.

Zum großen Glück des Betrachters gehört der Hauptfilm jedoch zu einer weit besseren Klasse als das Vorpogramm: DEATH FORCE, auch als VENGEANCE IS MINE und FIGHTING MAD veröffentlicht, entpuppt sich als entdeckenswerte kleine Perle unter den inflationär wuchernden Vigilanten- und Amokläuferfilmen der 70er Jahre, freilich weniger durch Subtilität oder Zurückhaltung glänzend als vielmehr durch eine – bis heute erhaltene – Frische im kreativen Umgang mit Klischees. Was erzählt wird, ist so unerhört, dass es schon wieder begeistert; und wie es erzählt wird, erstaunlich modern – ein obskures ‚Missing Link’ zwischen New-Hollywood-Klassikern wie Karel Reisz’ – zeitgleich erschienenem – WHO’LL STOP THE RAIN (DRECKIGE HUNDE) und postmodernen Epigonen wie Tarantinos KILL BILL.

ein.mann.wird.zum.killer.1978.cover Reisz’ Post-Kriegsfilm hat einst die epochalen Strukturen festgeschrieben, die offenbar zum Greifen in der Luft lagen – sind es dort noch einige Kameraden (u.a. Nick Nolte) aus bürgerlichem Haus, die neben einer neuen Sozialisation auch ein Paket Heroin aus Vietnam mitbringen, so wollen sich hier drei Jungs aus miesen Verhältnissen mit einer im Sarg geschmuggelten Drogenladung eine neue Zukunft in der Heimat erkaufen. Für den smarten Morelli und den schwarzen Underdog McGee heißt das, zu den ganz Großen unter den Gangstern Kaliforniens aufzusteigen; ihr gemütlich-bulliger Kumpel Russell (James Iglehart war neben Richard Roundtree eine der großen Blaxploitation-Ikonen) will nur in Frieden mit Frau und Kind leben, was ihm ein Todesurteil einbringt, denn „The only Brother ist the Man on the Dollar Bill, and he is white“: Die beiden anderen entledigen sich seiner (vermeintlichen) Leiche sofort auf offenem Pazifik, und während sie sich daheim in L.A. mit ungeheurer Brutalität die Treppe hinauf morden, spülen Flut und Schicksal den schwerverletzten Russell an den Strand einer seltsamen Insel, auf der sich zwei vergessene japanische Krieger seit dem 2.Weltkrieg heimisch eingerichtet haben: der faschistische Offizier Saguro folgt dem Kodex der Samurai und würde sich nie ergeben – eine ungewöhnliche Seelenverwandtschaft entspinnt sich zwischen dem schwarzen Underdog und dem Samurai. Geduldig lässt sich Russell von ihm in der hohen Kunst des Schwertkampfs unterrichten – Zeit hat er ja genug, und Rache ist bekanntlich ein Gericht, das am besten kalt serviert wird…

Cirio H. Santiago, den man hierzulande allenfalls mit einem Bündel billiger Kriegs- und Actionfilme der 80er Jahre wie STRYKER oder THE EXPENDABLES assoziiert, war lange Zeit einer der zentralen Vertreter der philippinischen Filmproduktion, und diese wiederum nach Indien, Japan und Hongkong eine der stärksten Südostasiens. Nach dem 2. Weltkrieg entstand auf den vormals japanisch besetzten und von MacArthur zurück eroberten Inseln ein kommerzielles nationales Kino nach Vorbild Hollywoods, das sich erst rund zwanzig Jahre später internationales Terrain erkämpfte, als sich amerikanische B-Produzenten auf die Suche nach billigeren Drehorten machten. Genüßlich zelebriert die so unterhaltsame wie hochinformative Dokumentation MACHETE MAIDENS UNLEASHED, die sich als Bonusmaterial auf dieser Kombi-Box findet, die Entwicklung des philippinischen Exploitation-Kinos und in dessen Gefolge des in Übersee entstandenen amerikanischen: 1959 fand Gerardo de Leons gelungener Horrorfilm TERROR IS A MAN erstmals den Weg auf US-Drive-In-Leinwände, der zum Vorläufer der berüchtigten BLOOD ISLAND-Filme wurde. Hier schien an Sex- und Gewaltingredienzien alles möglich und alles machbar zu sein, die MPAA war weit weg und die Produktionsbedingungen in authentischer Dschungelkulisse so günstig wie nirgends. Nachdem etwa Roger Corman Anfang der 70er Jahre Jack Hill den Trendsetter der neuen Dschungel-Frauengefängnis-Filme THE BIG DOLL HOUSE auf den Philippinen drehen ließ, gab es kein Halten mehr. Pam Grier („Zieh ihn raus oder ich schneide ich ihn dir ab!“) wurde Kultdarstellerin durch eine ganze Reihe Tough-Girl-Exploitation-Kracher. Die philippinische und die amerikanische Trashfilm-Industrie fanden zu profitablen Joint Ventures zusammen, Produktionen wie Santiagos (vergleichsweise) aufwendiger EIN MANN WIRD ZUM KILLER entstanden mit amerikanischer Finanzierung und unter professionellen Bedingungen.

Im Kern ist der Film ein abenteuerliches (männliches) Melodram über eine Wiedergeburt in Stahlgewittern und verarbeitet damit eigentlich einen Archetypus; und Santiago exerziert keine Gewaltorgie, sondern erzählt ein bluttriefendes Epos in gebührender Ernsthaftigkeit und mit getragener, fast romantischer Musik. Die eigenwillige und erstaunlich homogene Melange amerikanischer und japanischer Kultur, die für die Philippinen vermutlich typisch und einzigartig war, nimmt aus heutiger Sicht die multikulturelle Pastiche modernen Actionkinos vorweg. Die geniale Verquickung von Exploitation und fernöstlicher Philosophie aber atmet in jeder Szene den Geist der wahnsinnigen 70er. Saguro verbrachte die Jahrzehnte auf seiner Insel damit, seine Kampfkunst zu perfektionieren und hält am jahrhundertealten Kodex fest. Seine Überzeugung, dass einem Mann mit Ehre immer Respekt entgegen gebracht wird, lässt ihn integerer erscheinen als den bulligen Russell, der zum Grenzgänger zwischen den Welten wird. Feuerwaffen sind dem Samurai moderner Schnickschnack, und er weiß, dass man im Zorn keine Kämpfe gewinnt. Der gewiefte Morelli hingegen ist die Verkörperung des Hasses und der Gier, kein Trick und kein Verrat sind ihm zu schmutzig, um seine Ziele zu erreichen. Den Aufsteiger aus dem ‚White Trash’-Milieu hat es allerdings nicht zufällig nach Vietnam verschlagen, sondern er hat sich freiwillig gemeldet, weil sein Leben dort sicherer war als in dem Großstadtdschungel, aus dem er stammt.

ein.mann.wird.zum.killer.1978.still2 Die meisten der tiefergehenden, die Charaktere etablierenden Szenen indes fielen damals der Kürzungswut des deutschen Verleihs zum Opfer. Die Edition präsentiert den Film in der integralen Version. Die fehlenden Szenen sind hier untertitelt; die große Anzahl der Kürzungen lässt den Film daher häufiger zwischen Untertitelung und Synchronfassung hin- und herspringen. Die Synchro (vermutlich damals in München entstanden) ist hochwertig und bietet ein Wiederhören mit Horst Sachtleben und Trash-Röhre Tommy Piper. Die Bildqualität lässt keine wirklichen Wünsche offen; dass man der Versuchung widerstanden hat, etwa einen satten, gelben Laufstreifen heraus zu retuschieren, der die Zelluloidkopie an einigen Stellen ziert, ist sympathisch und gibt dem Ganzen noch einen Hauch authentischer Nostalgie. (Ein Booklet-Aufsatz von Pelle Felsch, der im Stil der Männerfilm-Texte Ivo Ritzers in der Splatting Image angelegt ist, liefert da noch eine eigene Capriole postmoderner Hommage.)

Subkultur hat die neue Grindhouse-Reihe mit einer sehenswerten Entdeckung in einer vorzüglichen Veröffentlichung eingeläutet – die Box beinhaltet Hauptfilm und Doku jeweils auf DVD und Blu-ray – , das Programm liefert nicht nur einen interessanten, historisch fundierten Einblick in eine wenig beleuchtete Nische des Genrekinos, sondern man stellt sich damit auch gleich zwei großartige Sachen aufs Regal, die man sich wirklich mehr als einmal ansehen kann.

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Death Force, USA/Philippinen 1978, R: Cirio H. Santiago, D: James Iglehart, Jayne Kennedy, Leon Isaac, Carmen Argenziano, Joonie Gamboa, u.a.

Machete Maidens Unleashed!, Australien 2010, R: Mark Hardley, Mitwirkende: Jack Hill, Pam Grier, Sid Haig, John Landis, Joe Dante, Roger Corman, Eddie Romero, u.a.

Anbieter: Subkultur Entertainment