Von Jochen Plinganz
Nach dem Verlust eines Mitglieds komplettiert der ahnungslose junge Schreibtischtäter Ellison die fünfköpfige, abgestumpften und erfahrene Besatzung von Don „Wardaddy“ Colliers Sherman-M4-Panzer. Sie kämpfen im April 1945 gegen Hitlers letztes, aber fanatisch agierendes Aufgebot bereits auf deutschem Boden, rücken von Dorf zu Dorf vor, bis sie unerwartet einer gegnerischen Übermacht begegnen.
Die nur sporadischen Innenaufnahmen des Panzers erwirken kein Arthaus-Kammerspiel wie LEBANON, sondern die klaustrophobische Atmosphäre von DAS BOOT. Weit mehr noch steht Ayers 70 Millionen schweres Kriegsgerät aber in der knallharten Tradition von Sam Peckinpahs STEINER – DAS EISERNE KREUZ, Sam Fullers THE BIG RED ONE und Robert Aldrichs DAS DRECKIGE DUTZEND. Eine simple Story über Profisoldaten ohne Gnade.
Vom Auftakt an, als Collier einen geradezu apokalyptisch anmutenden deutschen Reiter absticht, werden die abgebrühten Zyniker von Wut, Brutalität und Hass angetrieben. Dem entsetzten, zitternden Jüngling lehrt Pitts weit schroffer als sein Nazi-Killer in INGLORIOUS BASTERDS angelegte Figur, wie er einen gefangenen, um sein Leben flehenden Landser und Familienvater exekutiert. Alle SS-Angehörigen werden, einem Kommissarbefehl gleich, sofort erschossen. Ein Fair Play findet nicht statt.
Die Front ist überall, der Guerillaüberfall nur einen Atemzug entfernt, Mord und Misshandlung als Mission herrscht auf allen Seiten. In dokumentarischer Präzision zieht Ayer in miteinander verhafteten Episoden mit dem Quintett durch Panzerduelle auf Äckern, Gefechte in Wäldchen und den Straßenkampf in den Gassen alter Städtchen, eine ungeschönt erschütternde Erfahrungsakkumulation, ein Thrill auf Leben und Tod.
Dabei überzeugt Ayers grimmig-dreckig-blutiger Stil, der die Bastarde begleitet. Sie stapfen verroht durch den Matsch und sind doch innerlich wund. Nachdem Ellison seine Jungfräulichkeit mit einem einheimischen Mädchen verlor und Ekelpaket Grady (Jon Bernthal aus THE WALKING DEAD) sie vergewaltigen wollte, halten sie zusammen wie ein Wolfsrudel, unheldenhaft ihr Handwerk zwischen Anspannung und Durchschnaufen verrichtend.
Dann folgt eine unnötige Umkehr, wenn die Jungs allein im Gefährt mit List und Tücke die Übermacht einer Waffen-SS-Division niedermähen. In einem THE ALAMO-Opfergang verteidigen sie sich gegen wie Schlachtvieh dumpf anrennende Nazihorden. Immerhin wird das nicht so pathetisch wie in BLACK HAWK DOWN, aber ohne tapferes Heldentum geht’s im US-Kriegsfilm eben doch nicht. Was einiges der düsteren Klasse raubt.
Die Wirklichkeit sah anders aus: Deutsche Städte lagen durch den erbarmungslosen Bombenkrieg in Schutt und Asche, die Alliierten hatten die Lufthoheit und beschossen Flüchtlinge auf offener Straße, der Volkssturm bestand aus Alten und Kindern. Die Amerikaner waren an Ausrüstung, Feuerkraft und Soldaten vielfach überlegen. Tja. Dessen ungeachtet: Die Gräuel sowie ein finaler Gnadenakt sind eindrücklich und kraftvoll.
Erschienen auf Komm & Sieh
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Fury (Herz aus Stahl), Großbritannien/China/USA 2014 | Regie/Buch: David Ayer | Mit: Brad Pitt, Shia LaBeouf, Logan Lerman, u.a. | Laufzeit: 134 Minuten, Verleih: Sony Pictures (Kinostart: 01.01.2015).