Samurai-Western und Epochen-Pastorale. Von Thorsten Krüger

Von Thorsten Krüger

West-östliche Wechselwirkungen: Akira Kurosawa, ein großer Bewunderer von John Ford, wurde durch die US-Remakes seiner Werke YOJIMBO (als FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR) und DIE SIEBEN SAMURAI (als DIE GLORREICHEN SIEBEN) geadelt. Nun geht der Kultur-Transfer zurück nach Nippon, in einer originalgetreuen und doch mit japanischer Geschichte ergiebig gefüllten Neufassung von Clint Eastwoods gleichnamigen vierfachen Oscargewinner von 1992.

1880. Nach dem Ende des Shogunats lebt der alternde Ex-Samurai Jubei zurückgezogen als verwitwter Bauer und Vater zweier jungen Kinder, als ihn sein ehemaliger Kamerad Kingo um Beistand bittet, für Kopfgeld zwei Siedler zu töten, die einer jungen Prostituierten das Gesicht zerschnitten haben. Aber der sadistische Kleinstadt-Sheriff Ichizo, der in seiner Stadt keine andere Gewalt neben seiner duldet, demütigt sie brutal.

the.unforgiven.2013.cover Statt eines Entertainment-Wahnwitzes wie der koreanische THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD (dem Quasi-Remake von ZWEI GLORREICHE HALUNKEN) ist der naturalistische Abgesang des in Japan geborenen Lee Sang-Il weit mehr spannendes Historienkino als ein Genrewerk wie Takashi Miikes 13 ASSASSINS und andere Chambara-Filme. In den besten Momenten erblüht eine lyrische, geschichtlich akkurate Pastorale der Landschaften Hokkaidos.

Ohnehin steht THE UNFORGIVEN einem Western näher als dem klassischen Samuraikino und bricht Gattungsbeschränkungen sowie jene in Ost und West weitgehend auf. In Bildern und Farben, als würden alte Stiche Realität, in Impressionen von Land und Leben, bei Wind und Wetter demontiert Lee den Heldenmythos und entlarvt Legenden als Lügen. Deutlich mehr als bei Eastwood verstärkt die exzessive Härte einer brutalen militärischen Junta die Anti-Gewalt-Botschaft.

„Ein Mann zerschneidet einer Frau das Gesicht, zwei andere töten ihn dafür. Ich werde euch nie verstehen“, resümiert der Vater von Jubeis verstorbener Frau das Geschehen. Er ist ein Ainu, ein Ureinwohner, die wie die Indianer ausgelöscht werden sollen, planmäßig wie Tiere von der massakerwilligen Armee misshandelt, auf beklemmende Weise rassistisch unterdrückt. Viel Leiden ist hier zu bezeugen und kaum zu ertragen, Trost und Hilfe bleiben aus.

Die jämmerlichen, aber tragisch nahegebrachten, gebrochenen Protagonisten (vor allem der international bekannte Ken Watanabe aus THE LAST SAMURAI und INCEPTION ist eindringlich als armer Bauer) sind amateurhaft unfähig, der Böse (Kôichi Satô aus Takashi Miikes Spaghetti-Western-Echo SUKIYAKI WESTERN DJANGO) triumphiert auf eine Art, die auf Dauer verdrießlich anzusehen ist. Ein Ungleichgewicht der Kräfte besteht, das einen unerbittlich deprimiert.

Als katatonische Jeremiade ist dem also schwer beizuwohnen – die anderen Facetten aber sind lohnenswerter und einige Komik, vorwiegend aus Unzulänglichkeiten gespeist, verleihen sehr viel Menschlichkeit. Ferner ist die Rolle der als Stück Fleisch behandelten Frauen, deren Leid ignoriert und mit denen Kuhhandel getrieben wird, ein Fall für Friedensnobelpreisträgerin Malala. Sie sind zum Zuschauen bei all dem Unrecht verdammt.

Eine sinnvolle Ergänzung zu aktuellen Western wie THE HOMESMAN, GOLD und THE SALVATION.

Erschienen auf Komm & Sieh

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Yurusarezaru mono (The Unforgiven), Japan 2013 | Regie: Lee Sang-Il, Buch: David Webb Peoples, Lee Sang-Il | Mit: Ken Watanabe, Jun Kunimura, Shiori Kutsuna, u.a. | Laufzeit: 135 Minuten, Verleih: Warner (Kinostart: 04.12.2014).