Von Gerd Naumann

Dass „Opas Kino“ auch zu Beginn der 1970er Jahre noch nicht, wie es die Oberhausener bereits 1962 vollmundig verkündet hatten, auf dem Sterbebett lag, ist eine Erkenntnis, die sich erst noch durchsetzen muss. Fernab seitdem turnusmäßig wiederkehrender Krisen des deutschen Films und der leidigen Debatte um die Abhängigkeit der künstlerisch tätigen Filmschaffenden von Förderinstanzen und ihren Prüforganen gab es immer ein bundesdeutsches Unterhaltungskino. Hier reichte das Niveau von volkstümlichen Schwänken, Pennälerklamotten und Beziehungskisten hin zu geistreichen und ansprechenden Komödien, denen durchaus Weltklasseniveau bescheinigt werden darf. Eine solche Produktion ist Wolfgang Staudtes DIE HERREN MIT DER WEISSEN WESTE (1970), die von der umtriebigen Rialto Film Horst Wendlandts hergestellt wurde.

Wendlandt hatte zu dieser Zeit mit den langlebigen Kinoreihen um Edgar Wallace und Karl May bereits große Publikumserfolge auf den Weg gebracht. Diese Reihen aber hatten an Zugkraft eingebüßt, so waren weitere May-Verfilmungen nicht angedacht und die Wallace-Reihe sollte in den kommenden Jahren auslaufen. Rialto war an neuen Stoffen interessiert, mit denen sich die Zuschauergunst erwerben lassen konnte. Und so fiel die Wahl unter anderem auf eine Gaunerkomödie – DIE HERREN MIT DER WEISSEN WESTE. Martin Held gibt den pensionierten Oberlandesgerichtsrat Herbert Zänker, den immer noch ein unerledigter Fall beschäftigt. Jahrelang hatte er versucht, den, von Mario Adorf mit grandioser Lässigkeit gespielten, Ganoven Bruno „Dandy“ Stiegler zu überführen. Dieser ist nach einem längeren Aufenthalt in den USA nun wieder im Lande und plant weitere Einbruchscoups. Diesmal aber hat Zänker einen Plan, denn gemeinsam mit seinen ebenfalls lange pensionierten Freunden begeht er selbst Einbrüche, nur um „Dandy“ zuvorzukommen…

Die von Regieveteran Staudte leichtfüßig inszenierte Ganovengeschichte wartet mit einer imposanten Darstellerriege auf. Neben den großen Kinostars vergangener und gegenwärtiger Tage, nur beispielhaft seien neben Martin Held und Mario Adorf auch Agnes Windeck, Heinz Ehrhardt, Walter Giller, Friedrich Schoenfelder und Herbert Fux genannt, findet sich auch eine sehr junge Hannelore Elsner. Bemerkenswert ist auch die ausgezeichnete Kameraarbeit des Filmveteranen Karl Löb, der für Rialto unter anderem auch an zahlreichen Wallace-Produktionen beteiligt war. Eine Prise Zeitgeist verströmt neben den poppigen Dekors auch die pfiffige Filmmusik von Peter Thomas. Und so gelingt es dem Film auch heute noch, die Zuschauer in seinen Bann zu schlagen und auf hohem Niveau zu unterhalten. War der Film damals ein großer Publikumserfolg, so geriet er, wie viele ehedem populäre deutsche Filme, zu Unrecht etwas in Vergessenheit. DIE HERREN MIT DER WEISSEN WESTE ist es wert, wiederentdeckt und genossen zu werden; jede Minute seiner Spielzeit ist die Freude der Darsteller an den pointierten Dialogen zu spüren. Zudem verströmt der Film eine erstaunliche Weltoffenheit, nicht ohne einen spezifisch deutschen Mutterwitz außer Acht zu lassen. Ein echter Publikumsfilm also, der einen immensen Stellenwert im Kanon deutscher Kriminalfilme und Komödien hat. Erschienen ist dieses prächtige Stück Kino von Pidax auf DVD und Blu-ray. Beide weisen eine gute Qualität auf, wobei die Blu-ray vorzuziehen ist.

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Die Herren mit der weißen Weste, BRD 1970, R: Wolfgang Staudte, D: Martin Held, Mario Adorf, Heinz Ehrhardt, Anges Windeck, Walter Giller, Rudolf Schündler, Otto Czarski, Erich Fiedler, Friedrich Schoenfelder, Hannelore Elsner, Rudolf Platte, Willy Reichert, Siegfried Schürenberg, Herbert Fux u.a.

Anbieter: Pidax