Von Jochen Plinganz
Schon als Kind bewies Chris Kyle im Familienkreis sein großes Talent bei der Jagd. Später beginnt er in der US Army die gnadenlose Navy-SEAL-Ausbildung zum Scharfschützen, wonach der Patriot mehrfach in den Irak beordert und dort zur Legende wird. Von Familie und Heimat entfremdet er sich.
Einerseits wäre solch eine filmische Verneigung in Deutschland unmöglich – unsere Gefallenen werden möglichst anonym verscharrt und gedenken will ihnen schon gleich gar keiner, ganz zu schweigen davon sie Helden zu nennen. Aber wenn Eastwood schon auf Fanfaren verzichtet, hätte er sich wenigstens so künstlerisch faszinierend wie Kathryn Bigelows Adrenalinjunkiestudie THE HURT LOCKER profilieren können.
Nach dem Schnelldurchlauf durch eine typisch amerikanische (somit uninteressante) Vita werden ohne Erzählextras Sequenzen hintereinander geschaltet, die zwischen militärischen Irakeinsätzen und ziviler Heimat wechseln. Ein solider Bradley HANGOVER Cooper, der es aber nie mit Jeremy Renner aufnehmen kann, erlebt einiges Grauen und Belastungen, sieht andere sterben oder zerbrechen und merkt nicht, wie ihn der Krieg verändert.
AMERICAN SNIPER bietet nichts Neues, ist weder allzu aufregend noch sonderlich sensibel. Aber man kann ihn gucken, viele Actionszenen sind spannend, weil Eastwood sie nicht auf spektakuläre Unterhaltung, sondern auf realistische Straßenkämpfe eicht. Im Hintergrund läuft ein Duell wie das der Stalingrad-Scharfschützen in ENEMY AT THE GATES, nur ohne peinlichen Camp-Faktor. Das beherrscht Eastwood besser als sein Drama.
Erschienen auf Komm & Sieh
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American Sniper, USA 2014 | Regie: Clint Eastwood, Buch: Jason Hall, Buchvorlage: Chris Kyle, Scott McEwen, James Defelice | Mit: Bradley Cooper, Sienna Miller, Kyle Gallner, u.a. | Laufzeit: 132 Minuten, Verleih: Warner (Kinostart: 26.02.2015).