Von Jochen Plinganz
Das für 15 Jahre einsitzende Hackergenie Hathaway nutzt seine Chance auf Straferlass, als ihn sein chinesischer Ex-MIT-Gefährte Chen für die geheimdienstliche Jagd nach einem internationalen Hacker anwirbt, der ein asiatisches AKW verstrahlt und eine US-Börse ruiniert hat. Bei der geheimdienstlich-polizeilichen Kooperation zwischen China und den USA verliebt sich Chens Schwester in Hathaway.
Hollywoods Männerthriller-Auteur Michael Mann nähert sich nach MIAMI VICE und PUBLIC ENEMIES per patentiertem Digitalkamera-Einsatz wieder der Essenz von COLLATERAL und HEAT. Ohne Pulp, Pop und Pomp gelingt ihm der Spagat zwischen Geheimdienst-Thriller und privatem Liebesmelodram, wobei er seine opake bis schwammige Story, die auch einige Längen ausweist, tief in kühle Emo-Atmo taucht.
In der weltläufigen Jagd nach einem Cyber-Terroristen, dessen Malware einen Reaktorkontrollraum tödlich verseucht und einen Börsenplatz ebenfalls zum Schmelzen bringt, dominiert kühler Professionalismus, unter dem Gefühle brodeln. Chris THOR Hemsworth (der was kann, siehe RUSH) und die zarte Chinesin Wei Tang (aus Ang Lees GEFAHR UND BEGIERDE) verstärken als internationales Liebespaar eine ressentimentgeprägte Kooperation.
Denn FBI und chinesische Behörden müssen zähneknirschend zusammenarbeiten, so brisant und raffiniert handelt der Kriminelle. (Realiter wäre das schwer denkbar, da dringen chinesische Digitalspione im Regierungsauftrag permanent bei US-Firmen und Behörden ein – und sicher auch umgekehrt.) Das Team nimmt seine Detektivarbeit auf, und zwar kundig und ausgebufft, nicht als Cowboys. Statt aufgeblasenem Hi-Tech-Fetisch gibt es smarte Kniffe zu bestaunen.
Anders als ein Quatsch wie WHO AM I sind Datenforensik, Codezeilenanalyse und Computer-Fachbegriffe korrekt und authentisch – Realism rules! Wie man die NSA hackt, um an ihre Daten-Rekonstruktion-Software „Black Widow“ zu gelangen, gibt’s als augenzwinkerndes Schmankerl dazu. Und damit Spannung und Erotik nicht nur unterschwellig bleiben, bricht immer wieder die messerscharfe Action in Nah- und Fernkämpfen aus.
Ein hallender Tunnel-Schusswechsel, bei dem die Gangster wie ein taktisches Platoon agieren, knüpft an beste HEAT-Zeiten an und macht aus Jägern ihrerseits Freiwild. Schauplatzbedingt – Hongkong, Malaysia und Jakarta – erinnert BLACKHAT oft an DRUG WAR, wobei Johnny To ja definitiv ein Michael-Mann-Schüler ist. Der Score bringt Gefühl und Suspense zur Blüte, wenn das mit reifer Sexyness ausgestattete Paar untertauchen muss.
Wer dieser Terrorist ist und was er will, wo er doch keine finanziellen oder politischen Forderungen (wie die Sony-Erpresser mit THE INTERVIEW) stellt, sondern aus Rache seine Verfolger mit schweren Waffen auf offener Straße dezimiert, ist eine erhebliche Enttäuschung, die schwerer wiegt als die Auszeiten, in denen Mann die Atmosphäre genießt, aber immer dann fesselt, wenn er zu seinem aufregend-atemlosen Konzept zurückfindet.
Erschienen auf Komm & Sieh
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Blackhat, USA 2015 | Regie: Michael Mann, Buch: Morgan Davis Foehl | Mit: Chris Hemsworth, Viola Davis, Wei Tang, u.a. | Laufzeit: 133 Minuten, Verleih: Universal (Kinostart: 05.02.2015).