Von Heinz-Jürgen Köhler
Eine der schnellsten Expositionen der Filmgeschichte: Ein paar Klicks, Glückwünsche per WhatsApp, applaudierende Kollegen, und schon sitzt Caleb (Domhnall Gleeson) im Hubschrauber. Der junge Programmierer hat eine Woche auf dem Anwesen seines Chefs, eines einsiedlerischen Entwicklergenies, gewonnen. Dass es doch wohl kein firmeninternes Gewinnspiel war, erfahren wir erst später in einer der gezielt gesetzten Wendungen, die die Geschichte nimmt.
Calebs Aufgabe in dieser Woche: Er soll feststellen, ob Ava über künstliche Intelligenz verfügt, ob sie eine Art Bewusstsein hat – er soll also einen Turing-Test durchführen. Turing? Richtig, die Lebensgeschichte des englischen Mathematikers und Computerpioniers Alan Turing erzählte gerade der biografische Spielfilm THE IMITATION GAME. Und sieht nicht Hauptdarsteller Domhnall Gleeson, der Sohn von Schauspieler Brendan Gleeson, in manchen Einstellungen tatsächlich aus wie der kleine Bruder von Turing-Darsteller Benedict Cumberbatch? Wahrscheinlich geht das zu weit. Ansonsten aber ist der Film nicht arm an Anspielungen.
Mensch oder Maschine – das war die Frage in Philip K. Dicks Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ (in dem eine Variante des Turing-Tests vorkommt), 1982 als BLADE RUNNER verfilmt. In EX MACHINA ist klar, dass Ava ein Roboter ist – und die Frage lautet, wie viel Mensch in dieser Maschine steckt. Caleb ist jedenfalls gleich fasziniert von der Roboterin, erst nur als Informatiker, dann auch als Mann. Und mit ihm erliegt auch der Zuschauer dieser Persönlichkeit, die so offen, neugierig und vorurteilsfrei und manchmal sogar poetisch ist.
Alex Garland, der als Schriftsteller mit dem Roman „Der Strand“ bekannt wurde und als Drehbuchautor mit dem Skript zu 28 DAYS LATER, gibt hier sein Regiedebüt und fungiert wiederum als Skriptautor. Dabei demonstriert er eindrucksvoll die Gabe, Dialoge zu schaffen, die manchmal den Gehalt von Informatikseminaren haben und doch absolut faszinierend sind in der Umsetzung durch Gleeson und Isaac. Wie wird sich die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zukünftig gestalten? Werden Roboter mehr als nur geistig anspruchlose Tätigkeiten ausführen? Entwickeln sie Empathie, Kreativität? Diese hochaktuellen Fragen dekliniert dieses konzentrierte Kammerspiel durch. Dabei nimmt die Geschichte einige Wendungen, die man atemlos verfolgt – bis zur grimmigen Schlusspointe, bei der eine Person Nathans Forschungsfestung verlässt, genau wie zu Anfang eine diese betreten hat.
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Ex Machina, Großbritannien 2015 | Regie/Buch: Alex Garland | Mit: Domhnall Gleeson, Alicia Vikander, Oscar Isaac, Sonoya Mizuno, Chelsea Li, Evie Wray, Corey Johnson, Deborah Rosan | Laufzeit: 108 Min., Verleih: Universal (Kinostart: 23.4.2015)