Dreimal verschlug es Eddie Romero und John Ashley auf die Insel im Herzen des philippinischen Horror-Exploitationkinos. Ein filmhistorischer Streifzug.
Denkt man an die philippinischen Inseln, so denkt man automatisch an mandeläugige Schönheiten mit Blumenkränzen, Longdrinks mit Schirmchen … oder den beliebten Imbiss Balut, ein angebrütetes und abgekochtes Entenei, dessen halbentwickelter Embryo direkt aus der aufgeknackten Schale gelutscht wird. Und damit landen wir ohne große Umwege beim philippinischen Horrorfilm.
Grusel- und Horrorfilme erfreuten sich während der 1960er und 70er Jahre in der westpazifischen Republik großer Popularität bei Jung und Alt – und das hat sich bis heute kaum geändert. Die Affinität der Filipinos zu fantastischen Stoffen verwundert nur so lange, bis man einen Blick in die farbenprächtige Mythologie des Inselstaates wirft, die von Heerscharen furchterregender Kreaturen bevölkert wird. Der berühmteste Vertreter seiner Art ist wohl der Aswang, ein leichenfressender Ghul und Gestaltwandler, der sich bei Vollmond in eine Fledermaus oder ein monströses Schwein verwandelt, um Jagd auf schlafende Menschen zu machen. Eine Verwandte des Aswangs ist die Manananggal, eine böse Hexe, die ihren Leib zweiteilen kann – während der Oberkörper, fledermausbeflügelt, des Nachts nach Menschenfleisch jagt, hält sich der Unterkörper in der heimischen Gruft versteckt, denn bestreut ein findiger Geisterjäger die Schnittstelle mit Salz und Asche, ist der Kopf zu ewiger Wanderschaft verdammt. Ein übler Zeitgenosse ist auch der Matruculan, der um Mitternacht in die Häuser von Jungfrauen eindringt, sie schwängert und nach drei Monaten wiederkehrt, um den Fötus zu verspeisen. Wahlweise könnte die geplagte Jungfer aber auch von einem anderen der Abertausenden von philippinischen Dämonen begattet werden, woraus dann ein Tiyanak entsteht, ein bösartiger Wechselbalg, der die Mutter ein Leben lang terrorisiert.
Angesichts dieser Legion illustrer Unholde, welche die philippinische Sagenwelt bevölkern, könnte man annehmen, dass die Filmschaffenden des Inselreichs für ihre Stoffe mit vollen Händen aus dem Quell ihrer Mythologie schöpf(t)en. Dem ist jedoch mitnichten so; die meisten Filipino-Horrorfilme speisen sich aus dem Fundus der westlichen Vorbilder, den britischen Schauergeschichten oder amerikanischen Monstermythen.
Den Anfang bestritt 1959 der Filmemacher Gerardo de Leon mit THE BLOOD CREATURE (auch bekannt als: TERROR IS A MAN), einem der auf den Philippinen beliebten Insel-Filme, der eine Variation des Dr.-Moreau-Themas erzählt. Ein Jahr später folgte der Episodenfilm 4 Nights of Horror (Gabi Ng Lagim), in dem weibliche Vampire, rachedürstende Untote ohne Arme und lebende Spukhäuser ihr Unwesen treiben. In The Blood Drinkers (Kulay Dugo Ang Gabi, 1966), den abermals Gerardo de Leon in Szene setzte, wird ausgiebig einem quietschbunten, von Mario Bava inspirierten Beleuchtungsstil gefrönt. Im selben Jahr kurbelte der fleißige de Leon noch den Vampirstreifen Blood of the Vampires (Ibulong Mo Sa Hangin) herunter. 1968 strandete er dann mit Eddie Romero an den Gestaden der Blutinsel, aber dazu später mehr.
Romero trat, nachdem er Inselblut geleckt hatte, mit der Variation des klassischen Werwolf-Themas Beast of the Yellow Night (1971) und seiner eigenen Dr.-Moreau-Version The Twilight People auf den Plan, in dem Pam Grier mit albernem Monster-Make-up durch die Pampa hüpft. Produziert wurden beide Filme von keinem Geringeren als Roger Corman. In Horror-Gewässer schipperte Romero ein letztes Mal mit seinem naiven Genre-Mix aus Fantasy, Gruselmär und Abenteuerfilm Beyond Atlantis und dem Graf-Zaroff-Derivat Woman Hunt (1975), bevor er sich dem Frauenknast- und Lagerfilm widmete, nämlich Frauen in Ketten (Black Mama, White Mama, 1972).
Ende der 1970er Jahre ging dem philippinischen Horrorkino ein wenig die Puste aus, und neben dem dünnblütigen Vampir-Sexploiter Vampire Hookers (1978) ist allenfalls Lino Brockas Wake Up, Maruja (Gumising Ka, Maruja, 1978) nennenswert, die Geschichte eines ermordeten Liebespaars, das ein Filmteam spukenderweise heimsucht.
Die 1980er Jahre wiederum waren gleichsam die Geburtsstunde einer der erfolgreichsten Horrorfilm-Serien, der aus zwölf Filmen bestehenden Anthologie Shake, Rattle & Roll, deren erster Beitrag 1984 erschien und drei short movies vereinte – unter anderem geht es in den höchst originellen Episoden um einen Kühlschrank, der von einem psychotischen Serienmörder besessen ist (!), Reisen in eine alternative Vergangenheit und eine großmütterliche Vampirjägerin (!!).
In den 2000er Jahren erlebte der Filipino-Horrorfilm eine kleine Renaissance: Der Besessenheits-Rache-Thriller Kulimlim (2004), das Geisterdrama White Lady (2006), der Girls-vs.-Ghosts-Flick Ouija (2007) und der zeitgemäße Vampirfilm Patient X (2009) flackerten mit großem Erfolg über die Leinwände von Aparri bis Zamboanga. Unnötig zu erwähnen, dass keines dieser begehrten Juwelen je in unseren Breitengraden lief.
Jetzt ist es aber an der Zeit, den Anker vor Blood Island auszuwerfen, wo uns tanzende Hula-Girls, speerwerfende Krieger, verrückte Wissenschaftler, finstere Stammesriten, mutierte Pflanzen und Tiere, Zwerge und Grobiane erwarten … und natürlich Drakapa, das Monster mit der Krallenhand. Dieses bemerkenswerte Eiland war zwischen 1968 und 1970 Schauplatz dreier lose verknüpfter Genrefilme, die bei Hemisphere Pictures in Koproduktion mit den USA entstanden.
BRIDES OF BLOOD
In Brides of Blood (1968), dem von Eddie Romero und Gerardo de Leon gemeinsam inszenierten ersten Teil der Reihe, verschlägt es den jungen Ingenieur Jim Farrell (John Ashley), den impotenten Wissenschaftler Dr. Henderson (Kent Taylor) und seine schwer nymphomane Ehegattin Carla (Beverly Powers) auf die Insel, um die Folgen radioaktiver Strahlung nach atomaren Tests zu untersuchen. Bereits kurz nach Ankunft in dem Ferienparadies werden sie Zeugen eines sinisteren Begräbnisrituals der Eingeborenen, bei dem unfachmännisch amputierte Körperteile auf den Postkartensandstrand purzeln – unseren Protagonisten schwant Arges, zumal auch Flora und Fauna aus dem Lot geraten sind. Die Palmen und Bananenbäume entwickeln ein unheiliges Eigenleben, Krabben mutieren zu Monsterkrabben, harmlose Schmetterlinge verwandeln sich in blutrünstige Killerinsekten. Zu allem Überfluss treibt des Nachts ein wilder Wüterich sein Unwesen auf der Insel, dem man zur Besänftigung halbnackte Bikinimädels opfert. Möglicherweise hat der undurchsichtige Großgrundbesitzer Esteban Powers (Mario Montenegro) mit dem Mummenschanz etwas zu schaffen, ein recht feudalistischer Zeitgenosse, der sich nicht nur einen glatzköpfigen Muskelprotz als Haussklaven hält, sondern auch eine ganze Rotte von Liliputanern mit Lendenschurz.
Brides of Blood bietet sämtliche Zutaten, die der Connaisseur eines schmackhaften Monster-Eintopfs sich erträumt, und erinnert auch in seiner naiv-altbackenen Machart an die entsprechenden Drive-in-Streifen der 1950er Jahre – allerdings pikant gewürzt mit nackter Haut und Gore. Obendrein bekommt man ein wundervoll beknacktes Ungetüm serviert, das aussieht, als hätten die Maskenbildner das Michelin-Reifenmännchen aus Szegediner Gulasch nachgebaut. Die Schauspieler und die Dialoge, die das launige Drehbuch ihnen in den Mund legt, sind zudem nicht so übel, wie allgemein behauptet wird – der Wissenschaftler Henderson wird von B-Film-Veteran Kent Taylor mit souveräner Überzeugungskraft dargestellt, während die blonde Ex-Stripperin Beverly Hills nicht nur ihr Dekolleté appetitlich feilbietet, sondern auch mimisch überzeugt. Die Rolle des gut gebauten Helden wird in allen drei Teilen von John Ashley bekleidet, obwohl er in Brides noch einen anderen Charakter darstellt als in den Folgefilmen.
In handwerklicher und erzählerischer Hinsicht schneidet der erste Teil der Trilogie sicherlich am besten ab, leider liegt jedoch keine deutschsprachige Fassung vor. Erwähnenswerte Randnotiz: Für alle drei Filme ließen die Produzenten sich Marketing-Gimmicks einfallen, die einem William Castle zur Ehre gereicht hätten. Bei Brides verteilte man am Eingang der Kinos einen „Brautring“ an die Besucher, der zwar nur aus billigem Kunststoff bestand, heutzutage aber gewiss ein hübsches Sümmchen bei Ebay einbringen würde.
MAD DOCTOR OF BLOOD ISLAND
Der zweite Teil, ebenfalls von Romero und de Leon inszeniert, trägt den herrlichen Titel Mad Doctor of Blood Island (1969), und auch wenn als Schauplatz erneut unser Lieblingsferiendomizil Blood Island gewählt wurde, beschreitet der Film doch geringfügig veränderte Pfade. Gab der Vorgänger noch Radioaktivität als Folge von Atombombentests die Schuld an den Mutationen auf dem Eiland, wird im Nachfolger die Hybris einer fehlgeleiteten Wissenschaft für die Missstände verantwortlich gemacht – eine mysteriöse Krankheit grassiert, die das menschliche Blut in Chlorophyll verwandelt. Den Ursprung dieser Seuche zu untersuchen ist wiederum der Job des jungen und gutaussehenden Dr. Foster, dem eine ebenfalls junge und gutaussehende Blondine zur Seite gestellt wird. Maßgeblich erschwert wird die prekäre Lage durch ein grünblütiges Monstrum mit Hackfresse, das nachts durch den Dschungel torkelt und Menschen in ihre Einzelteile zerlegt. Ob es da einen Zusammenhang gibt? Hat das ganze Tohuwabohu eventuell etwas mit den geheimnisvollen Experimenten zu tun, denen der finstere Wissenschaftler Dr. Lorca in seinem unterirdischen Laboratorium nachgeht?
Als Heros mit Haartolle und stoischer Miene sehen wir abermals John Ashley, an seiner Seite glänzt matt das Starlet Angelique Pettyjohn, die später unter dem Namen Heaven St. John einige Pornos drehte. Der irre Doktor wird recht passabel von Ronald Remy gegeben, der schon den haarlosen Obervampir in de Leons The Blood Drinkers spielte.
Handwerklich fällt der zweite Teil der Reihe bisweilen leider etwas weniger gelungen aus, was auch im exzessiven Gebrauch der Gummilinse während der Spannungsszenen begründet liegt – immer wenn das Monster auftaucht, zoomt der Kameramann dermaßen manisch hin und her, dass dem Zuschauer zu schwindeln droht. Die Maskenbildner haben jedoch auch hier wieder ganze Arbeit geleistet: Dem Darsteller des Monsters wurde offenbar einfach eine großzügige Kelle Klärschlamm in die Visage geklatscht und ein Dracula-Gebiss hinterhergeschoben. Auch blutiges Gekröse wird wieder sattsam dargereicht – so mancher Dickdarm schlingert, meistenteils wenig sinnstiftend, durch die Blumenrabatten. Für die ganz hartgesottenen Kannibalenfilmfreunde gibt es sogar ein paar Tieropfer, die garantiert nicht getrickst waren. Der Promo-Gag, den man sich für Mad Doctor ausdachte, sucht seinesgleichen und ist ein Brathammer ganz besonderer Güteklasse: Bereits vor dem Vorspann des Films sieht man ein paar dösig dreinschauende Hippies, die sich Reagenzgläser voll grüner Grütze hinter die Binde kippen. Dazu dröhnt der unheilschwangere Bariton eines Off-Kommentators vom „Schwur des grünen Blutes“: „I, a living, breathing creature of the cosmic entity, am now ready to enter the realm of those chosen to be allowed to drink of the Mystic Emerald fluids herein offered. I join the Order of Green Blood with an open mind and through this liquid’s power am now prepared to safely view the unnatural green-blooded ones without fear of contamination. “
An der Kinokasse bekam dann jeder Besucher ein Glas mit grüner Tinktur, die zwar nur aus gefärbtem Wasser bestand, aber ihre Wirkung gewiss nicht verfehlte.
DRAKAPA – DAS MONSTER MIT DER KRALLENHAND
Womit wir bei Beast of Blood (Drakapa – Das Monster mit der Krallenhand, 1970) angelangt wären, der exakt dort beginnt, wo Mad Doctor endet. Dass ausgerechnet der dritte und letzte Teil der Blutinsel-Saga eine deutsche Veröffentlichung erfuhr und mit einer Synchronisation versehen wurde, mutet bizarr an – nimmt die Handlung doch (zumindest im O-Ton) unmittelbar Bezug auf Ereignisse aus dem Vorgängerfilm. Dementsprechend ist natürlich auch wieder John Ashley als heldenhafter Strahlemann mit an Bord. Über Ashley gibt es nicht viel zu sagen, außer dass er ein ziemlich miserabler Mime ist und in fast sämtlichen Romero-&-de-Leon-Streifen herumhampelt. Unglaublicherweise ist er auch in einer Minirolle in Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (2001: A Space Odyssey, 1968) zu sehen. Die blonde Dame an des Helden Brust heißt diesmal Myra und wird von Celeste Yarnell gespielt. Yarnell startete ihre Karriere in der TV-Serie Bonanza (1959–73) und war auch nach Drakapa eine vielbeschäftigte Darstellerin, unter anderem bei The Velvet Vampire (1971) oder Scorpio, der Killer (1973). Zuletzt sah man sie in der empfehlenswerten Dokumentation Machete Maidens Unleashed! (2010), die einen nostalgischen Rückblick auf die wilde Zeit des Filipino-Kinos wirft. Der schurkische Wissenschaftler, der das finale Inferno aus Mad Doctor wunderbarerweise überlebt hat, wird diesmal von Eddie Garcia verkörpert, einem auf den Philippinen beliebten und sehr umtriebigen Schauspieler, der bis zum heutigen Tage in über siebzig Genreproduktionen mitgewirkt hat. Der deutlich gealterte Bruno Punzalan gibt erneut den grunzenden Ersatz-Igor Razak und wurde offenkundig unter seinem hautengen T-Shirt mit Plaste-Muskeln aufgepimpt. Bereits in Brides sah man ihn in einer ähnlichen Rolle als glatzköpfigen „Goro“. Die Regie übernahm dieses Mal Eddie Romero allein.
Obwohl Drapaka durchaus einige pralle Momente aufweist, handelt es sich insgesamt um das schwächste Exemplar der Trilogie. Über weite Strecken hat man es mit einem etwas müden Abenteuerfilm zu tun, dessen endloses Durch-den-Urwald-Gekrauche und Geballere mit der Zeit äußerst ermüdend wirkt. Die atmosphärischen oder gar schaurigen Elemente der Vorgängerfilme sucht man hier leider vergebens. Aber seinen Spaß kann man trotzdem damit haben – zumal mit der deutschen Synchro, die sämtliche Register des schmierigen 1970er Jahre-Kintopps zieht.
Erschienen auf Critic.de
Erstveröffentlichung (in erweiterter Form) als Booklet der DVD Drakapa – Das Monster mit der Krallenhand, Grindhouse Collection Vol.1, Nr. 4. Subkultur Entertainment, 2011.