Von Thorsten Krüger
Ryan Goslings auratisches Autorenkunstdebüt durchbricht mit mystischer Bildintensität einen Kleinstadtfluch: Bones, der ältere Sohn der alleinerziehenden Billy, erfährt durch Außenseiterin Rat von einem Fluch, der über ihrer verfallenen Stadt liegt. Während die verschuldete Billy einen Job im bizarren Nachtclub des perversen Bankers Dave annimmt, flieht Bones vor dem brutalen Bully, um den Alptraum zu beenden.
LOST RIVER ist ein musikalisch und visuell betörender Nostalgie-Trip in ein überwuchertes, verlassenes Verfalls-Amerika (Drehort: Detroit). Der American Dream ist zwischen Hypotheken und Arbeitslosigkeit verschwunden – ein Land der Gewalt, Dämonenfratzen und Perversion. Aber Gosling findet phantasmagorische Gebilde wie in einem Traum darin, Licht, Farben und Oberflächen faszinieren. Es sind Bilder, die im Dunkeln leuchten.
Er beherrscht jeden Ton der Kinohypnose, verbindet Bogdanovichs DIE LETZTE VORSTELLUNG mit Amalrics TOURNÉE und einer Prise Unbehaglichkeit à la UNDER THE SKIN, findet das Befremdliche im Vertrauten und melancholisch-erotische Bühnenakte im Grand-Guignol-Theater. Dem steht eine schlichte Direktheit von Dialogen und Geschehen gegenüber, was nicht jedem gefällt und ein schwaches Rückgrat der ikonischen Bildwelt bildet.
Der metaphysischer Horror, der hinter LOST RIVER steht, verleiht der rätselhaft-bedrohlichen Mystik kein Grauen, sondern nur noch mehr Verführung. Ben Mendelsohn (BLACK SEA) und Matt Smith (DOCTOR WHO) rumoren wie finstere Dämonen in einem kunstvollen Autorenfilm, der mit Feuer und Wasser den rauschhaften Glauben an die reine Macht der Bilder zelebriert, aber leider wohl nur wenige Jünger bekehren wird.
Erschienen auf Komm & Sieh
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Lost River, USA 2014 | Regie/Buch: Ryan Gosling | Mit: Christina Hendricks, Iain De Caestecker, Matt Smith, u.a. | Laufzeit: 95 Minuten, Verleih: Tiberius Film (Kinostart: 28.05.2015).