Von Gerd Naumann
THE EVIL OF FRANKENSTEIN (1964, FRANKENSTEINS UNGEHEUER) ist der dritte Beitrag aus der langlebigen Filmreihe der Hammer. Mit einer Ausnahme übernahm Genreikone Peter Cushing die Rolle des Wissenschaftlers Baron Frankenstein, der im Hammer-Zyklus eine Genese vom redlichen Wissenschafter, der aus Erkenntnisinteresse ethische Bedenken über Bord wirft, hin zum manischen Verbrecher durchläuft. Waren die Beweggründe in THE CURSE OF FRANKENSTEIN (1957, FRANKENSTEINS FLUCH), dem Ur-Film der Reihe, vor dem Hintergrund bedingungsloser Hingabe an die Forschung plausibel, zwangen die äußeren Umstände den Baron bereits in der ersten Fortsetzung FRANKENSTEINS RACHE (1958, THE REVENGE OF FRANKENSTEIN) zu einem Leben unter falscher Identität und zu einem ungeplanten Körperwechsel. THE EVIL OF FRANKENSTEIN schließt den Bogen zum ersten Teil, Frankenstein beschließt nach über einem Jahrzehnt wieder nach Karlstadt zurückzukehren, wo er einst seine ersten unseligen Experimente durchführte. Begleitet von einem treuen Assistenten, begibt sich der Baron auf sein altes Schloss, dass er verwahrlost und geplündert vorfindet. Außer sich vor Zorn fährt er in die Stadt, wo seine Identität aufgedeckt wird. Frankenstein und sein Assistent fliehen in das angrenzende Gebirge und entdecken in einer Höhle die von ihm erschaffene, verschollen geglaubte Kreatur…
Die Inszenierung lag diesmal nicht in den bewährten Händen von Terence Fisher, der aufgrund eines Unfalls kurzfristig nicht zur Verfügung stand. Für ihn sprang Freddie Francis ein, der die Fabel um den manischen Wissenschaftler stilvoll in Szene setzte. Überhaupt wirkt der detailverliebte Ansatz von Francis, erwähnt seien bizarr ins Bild gesetzte Stalaktiten oder die klobigen Blockschuhe des Monsters, moderner als der im besten Sinne klassische Inszenierungsstil von Terence Fisher. Francis geht es um Detaileinstellungen, Fisher setzt dagegen die Körper der Darsteller mit den Kulissen in Beziehung, schafft eine räumliche Dynamik zwischen Mensch und Umgebung.
THE EVIL OF FRANKENSTEIN ist darüber hinaus ein Novum im Hammer-Universum. Genau wie THE CURSE OF THE WEREWOLF (1961, DER FLUCH VON SINIESTRO) wurde auch THE EVIL OF FRANKENSTEIN in den USA von Universal verliehen. Griff Hammer mit THE CURSE OF THE WEREWOLF bereits ein originäres Universal-Monsterfilm-Thema auf, hatte die Firma nunmehr die Freiheit, sich inhaltlich wie ästhetisch an den berühmten Universal-Filmen der 1930er und 1940er Jahre zu orientieren. Aus diesem Grunde durfte die Gestaltung der Monstermaske sich erstmals an den bekannten FRANKENSTEIN-Filmen mit Boris Karloff orientieren. Dennoch gelang Freddie Francis eine eigenständige Arbeit, die sich mit britischer Noblesse wohltuend vom zeitgenössischen Horrorfilm jener Jahre abhebt.
Erschienen ist dieser herrliche Film, der im Kontext der Reihe zu Unrecht als den Universal-Vorbildern zu nahe stehend kritisiert wird, in der Hammer-Edition von Anolis. Das Bild der Blu-ray hat fraglos Referenzklasse für einen Genrefilm dieser Kategorie, deutscher und englischer Ton sind klar und räumlich. Wie immer bei Anolis gibt es erschöpfendes Zusatzmaterial, darunter ein langes Making Of, einen Audiokommentar, Trailer, Bildergalerien und zeitgenössisches Pressematerial. Umfangreichen Raum nehmen die Gespräche mit Darstellerin Caron Gardner ein, die anekdotenreich über die Dreharbeiten zu erzählen weiß. Filmhistorisch interessant sind die etwa 13 Minuten an zusätzlichen Szenen, die ehedem für die amerikanische Fernsehfassung von einem anderen Regisseur gedreht wurden. Aus Zensurgründen musste die Kinoversion für den Fernseheinsatz gekürzt werden, diese neuen Szenen sollten die Spielzeit wieder auf sendetaugliche Länge bringen.
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The Evil of Frankenstein, Großbritannien 1964, Regie: Freddie Francis, Mit: Peter Cushing, Sandor Elès, Peter Woodthorpe, Caron Gardner u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment