Von Jochen Plinganz
Der für seine Rolle in Darren Aronofskys PI bekannte Bostoner Sean Gullette weitet seinen Kurzfilm TRAITORS – erneut mit der exzellenten Chaimae Ben Acha in der Nachwuchspreisverdächtigen Hauptrolle – zum gleichnamigen Genrespiel in der nordmarokkanischen Hafenstadt Tanger aus. Statt für einen Musikfilm steht die rebellische Mentalität des Punk Pate für ein Sozialporträt und den Ausbruch unterdrückter Frauen.
Weitab eines schalen Reisevideos wie Caroline Links EXIT MARRAKECH entwickelt TRAITORS einen authentischen, ungeschminkten Einblick in die Kultur des Maghreb, partiell ähnlich, wenn auch künstlerisch nicht so ausgeprägt, dem Kunstpoem ATLAS oder Jim Jarmuschs Psychedelic-Rock-Schwelgerei ONLY LOVERS LEFT ALIVE. Der Punksoundtrack kommentiert prägnant Geschehen wie die soziale Stellung der weiblichen Bevölkerung in dem muslimischen Land.
No Dirham: Höchste Zeit also, dass sich etwas ändert. Gullette konzentriert sich ganz auf Ben Achas Pokerface, die für ihre Mutter und Schwester sowie die einmalige Chance der Band, ein Demoalbum aufzunehmen, also aus dringenden Geldsorgen, den Weg der kriminellen Beschaffung wählt – denn alle anderen Möglichkeiten bleiben verschlossen. Wie gefährlich ihr Job tatsächlich ist, erfährt sie erst, als es kein Zurück mehr gibt.
Ihre Bosse, Samir und Haj, haben noch niemand entkommen lassen, aber Malika verhilft der verzweifelten Schwangeren zur Flucht. „We are slaves for these assholes“, stellt der Thriller nüchtern fest, weiß aber, wie an Angst gewöhnte Frauen mit Bestechung und Schlauheit ihre Chance nutzen. „Wenn du ein Nagel bist, musst du den Hammer erdulden“: Ein Satz, der die Situation des vermeintlich schwachen Geschlechts in Marokko bitter-bewegend auf den Punkt bringt.
Erschienen auf Komm & Sieh
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Traitors, Marokko/USA 2013 | Regie/Buch: Sean Gullette | Mit: Chaimae Ben Acha, Soufia Issami, Mourade Zeguendi, u.a. | Laufzeit: 83 Minuten, noch ohne deutschen Verleih.