HARD TO BE A GOD – so hieß der letzte Film, den Alexei German vor seinem Tod im Jahre 2013 drehte. Ein wuchtiges Schwarz-Weiß-Epos inmitten von Dreck, Schlamm, Kot, Urin, Rotz und Schleim. Ein Film, dessen Handlungsort auf einem fernen Planeten in der Zukunft liegt und der dennoch wirkt wie aus dem irdischen Mittelalter entsprungen. Aleksej German hat in seinem Leben nur sechs Filme gedreht – und doch hat er die russische Filmgeschichte nachhaltig mitgeprägt. Sein Sohn Alexei German Jr. ist ebenfalls Filmemacher. Mit dem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag UNDER ELECTRIC CLOUDS versucht er nun, endgültig aus dem Schatten seines Vaters zu treten. Ein Grand Statement soll der Film sein – eine profunde Reflexion über sein Heimatland, ein Vierteljahrhundert nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums.
Dass das Gebäude für die russische Nation steht, ist klar. Der Architekt – zugleich der Vater zweier Protagonisten – ist gerade verstorben. Die Figuren des Films sind sich uneinig darüber, was mit seinem Werk geschehen soll. Die Erben wissen nichts damit anzufangen, einige Landsleute wollen es am liebsten gleich abreißen, ein paar Ausländer ziehen in Erwägung, es zu kaufen. So schildert German die Situation Russlands, das seit dem Ende des Kalten Krieges von seinen Hausherren teils saniert, teils von innen zerstört und teils dem Verfall überlassen wurde.
Es gibt kein Ziel, auf den der gesellschaftliche Umbruch zusteuert. Verloren irren die Figuren am Strand entlang. Auch in den Dialogen ist häufig die Rede von Desorientierung. „Es hat alles keinen Sinn“, sagt einmal ein Mann, der wegen eines Feuermals auf seiner Stirn an Gorbatschow erinnert. In Abwesenheit von Ideologie und Religion gibt es nichts mehr, an dem man sich festhalten könnte. Selbst die Liebe existiere nicht wirklich, versichert eine Protagonistin spät im Film. Auch die Sprache scheint ihre Funktion zu verlieren: In einer globalisierten Welt sind zwar alle allen nähergerückt, doch für gegenseitiges Verstehen sorgt das nicht. So jedenfalls ließe es sich deuten, dass German immer wieder nur „Fremdsprache“ in die Untertitel schreibt – was genau gesagt wird, bleibt unklar.
Sicher, die visuelle Umsetzung des Films gelingt in großen Teilen. Gerade die nebligen Bilder vermüllter Eiswüsten sind grandios – auch wenn einige Szenen etwas derivativ wirken, da sie recht deutlich an Tarkowskijs STALKER (1979) erinnern. Narrativ jedoch gelingt es UNDER ELECTRIC CLOUDS nicht, seine Figuren tatsächlich zu etablieren. Vor allem aber verfällt German mit zunehmender Laufzeit immer stärker in ein relativ zusammenhangsloses, einschläferndes Mäandern. Das vermeintliche Grand Statement wird zum Genuschel.
Erschienen auf Critic.de
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Pod elektricheskimi oblakami (Under Electric Clouds), Russland/Ukraine/Polen 2015 | Regie/Buch: Alexei German | Mit: Louis Franck, Merab Ninidze, Viktoria Korotkova , u.a. | Laufzeit: 138 Minuten, noch kein deutscher Verleih.