Von Bodo Traber
„Eine Welt der Zukunft, wie sie sich Jules Verne nicht besser hätte ausdenken können“ verspricht das Plakat, auf dem Autos und Menschen durcheinander purzeln, Todesstrahlen, Monster und Roboter die Welt bedrohen und über allem der Infra-Superman im roten Poweranzug thront. 1976 war Jules Verne noch verlässliche Referenz, das jugendliche Publikum mit dem Namen noch vertraut genug, um futuristische Wunder damit zu assoziieren, und mit Sicherheit wurde auch der deutsche Titel des Films an dessen klassische „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ angelehnt – und die Handlung entsprechend etwas zurecht gebogen. Die internationalen Trailer finden ihre eigenen Superlative, manchmal etwas diametral zur Intention. Da blitzt, biept und kickt es am Stück, die Erde tut sich auf und enthüllt Erschröckliches und Köpfe und Tränen kullern alsbald – keineswegs den falschen Eindruck von diesem Film vermittelnd, bei dem man sich durchaus ungläubig die Äuglein reibt, auch wenn man ihn noch aus Kindertagen kennt. INVASION AUS DEM INNEREN DER ERDE (aus dem „Inneren“, nicht aus dem „Innern“) war nach UFOS ZERSTÖREN DIE ERDE eines der wichtigsten Provinz-Kino-Events der Prä-STAR-WARS-Zeit. Ich war damals mit meiner Cousine drin, die sehr angetan war von Danny Lee. Hu, lang ist’s her…
Visuelle und narrative Motivik springen ein bisschen zwischen Martial Arts, Fetischerotik, SF und Fantasy, der vor allem die heiße Unterweltfürstin Dämona (im Original: Prinzessin Elzibub), die dringenden Anspruch auf die Weltherrschaft erhebt, und ihr Hofstaat zu entstammen scheinen. Überhaupt liefert der Film einen grandiosen Best-of-Mix aus allen zeitüblichen Motiven, die das fernöstliche Genrekino der 70er Jahre erschüttert haben. Vorbild war das japanische Kino der ‚Kaiju’-Sparte und die in Hongkong sehr populären Superhelden-Serien um ULTRAMAN oder KAMEN RIDER, als die Shaw Brothers sich entschlossen, sich ebenfalls auf dem phantastischen Terrain zu versuchen, nachdem sich das berühmte Hongkong-Studio über die Jahre hinweg zur erfolgreichsten Produktionsfirma von Kung-Fu-Filmen entwickelt hatte und auf der Suche nach neuen Entfaltungsmöglichkeiten war. Die Kreation des Infra-Man und seines ersten Leinwand-Abenteuers gelang als chinesisch-japanisches Joint Venture unter schwierigen Bedingungen; obwohl Creature- und Figuren-Design und Spezialeffekte von angeheuerten japanischen Künstlern kreiert wurden und sogar hinter der Kamera ein Japaner stand, wiesen ihnen die Shaw Brothers im Marketing chinesische Pseudonyme zu, um die Marktchancen des Films nicht durch vermeintliche anti-japanische Ressentiments zu gefährden, die sie unter dem chinesischen Publikum auch 30 Jahre nach Kriegsende noch befürchteten. (Die spannende Produktionsgeschichte des Films ist im wunderbaren Booklet von Alex Iffländer, auf das hier dringend verwiesen sei, ausführlich und detailgenau geschildert.)
In jedem Fall einer der großen Chinaböller dieser Saison; vermutlich wirklich hauptsächlich für Leute geeignet, die sich ihr inneres Kind von damals bewahrt haben. Aber das ist ja nichts Verwerfliches.
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The Super Inframan / Zhong guo chao ren, Hongkong 1975, R: Hua Shan, D: Danny Lee, Terry Liu, Dana Tsen, Wang Hsia, Yuan Man-Tzu, u.a.
Anbieter: Media Target Distribution