Man nehme den muskulösen MAN OF STEEL Henry Cavill, den smarten LONE RANGER Armie Hammer, die hippe Schwedin Alicia Vikander (EX MACHINA), schicke diese widerborstigen Drei in eine Sixties-Agentenfilmpersiflage mit famosen italienischen und deutschen Schallerfressen (Sylvester Groth!), lasse den Brit-Stilisten Guy Ritchie (SHERLOCK HOLMES, 2009) Regie führen, und peng! hat man einen der rasantesten, elegantesten, witzigsten Filme der Saison!
Der geniale Kunstdieb Napoleon Solo, der statt einer Haftstrafe einen Job als CIA-Agent antreten musste – und als solcher schlicht der beste ist, kommt 1963 ins geteilte Berlin, um sich im Osten ein Fräulein Schmidt zu angeln: Die kesse Automechanikerin heißt tatsächlich Gaby Teller und ist die Tochter des Atomwissenschaftlers Udo Teller, der erst für die Nazis, dann für die Amerikaner arbeitete – und nun verschwunden ist. Was also weiß Gaby? Als Solo mit Gaby in den Westen türmt, werden sie von Illya Kuryakin verfolgt, einem KGB-Agenten – und genau wie Solo die Spitzenkraft seines Vereins. So sehr Solo und Illya politische Feinde und fachliche Rivalen sind, so sehr müssen sie nun auf Geheiß von West und Ost zusammenarbeiten: Als amerikanischer „Antiquitätenkenner“ und russischer „Architekt“ plus Gaby als Illyas Verlobter sollen sie nach Rom und dort den Industriekonzern Vinciguerra unterwandern, der im Verdacht steht, heimlich am Bau einer Atombombe zu arbeiten – was die wettrüstenden Blöcke gar nicht mögen…
Keine Ahnung, ob jüngere Zuschauer sich in die Zeit des einstigen Kalten Krieges der 50er- und 60er-Jahre hineindenken können, aber die heutigen Zustände sind dem ja nicht mehr völlig fremd, Putin sei Dank. Was damals politisch bitterster Ernst war, führte zu einer Blüte von Spionageromanen, -kinofilmen und -fernsehserien zwischen „besorgt-mahnend“ (DER SPION, DER AUS DER KÄLTE KAM) und „chauvinistisch-ironisch“ (LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU) – wobei sich diverse aus den Bond-Filmen abgeleitete Fernsehserien wie THE MAN FROM U.N.C.L.E. (deutsch: „SOLO FÜR O.N.C.E.L.“) besonders in den USA und im United Kingdom größter Beliebtheit erfreuten. Die Angst vor einem von den Weltmächten angezettelten Dritten Weltkrieg bzw. Atomkrieg gehörte zur psychologischen Basis dieser Abenteuer und ist heute nicht oder noch nicht wieder gegeben. Insofern kann man CODENAME U.N.C.L.E. nur als modisches Sixties-Retrokino betrachten.
Der Blick geht nicht skeptisch nach vorn, sondern abgeklärt-amüsiert zurück ins Gestern, in die Zeit schillernder Anzüge, schriller Minikleider, grotesker Make-ups, poppiger Designer-Telefone, roter Sportwagen oder volltönender Italoschlager. Gesten, Posen, Statements, Attitüden sind wichtig – und vor allem Dressman Henry Cavill liefert sie mit der übertriebenen, oft unangebrachten Arroganz siegreicher Amerikaner, während Armie Hammer als eher belächelter Russe zeigen darf, dass die Sowjets eben auch nicht ohne sind bzw. waren – die Scharmützel der beiden um die avanciertere Spionagetechnologie sorgen immer wieder für hübsche Spitzen (was heute klobig-museal wirkt, war damals HiTech).
Überhaupt verblüfft, wieviel Witz der Film hat und wie gekonnt und lässig Regisseur Guy Ritchie das Tempo variiert oder differierende Schauplätze gegeneinander montiert, um überraschende Effekte zu erzielen – ein gestalterischer Höhepunkt ist beispielsweise die Sequenz, in dem sich der klatschnasse Napoleon Solo in einen Laster rettet und sich erst mal eine italienische Brotzeit mit lecker Rotwein gönnt, während Kollege Illya Kuryakin weiterhin im Motorboot um sein Leben rast – das ist ganz große Slapstickkunst im Sinne alter Meister wie Blake Edwards. Vielleicht ist CODENAME U.N.C.L.E. die beste Komödie des Jahres, die keine reguläre Komödie ist.
Ein Musical ist sie auch nicht, doch spätestens die zwei brillanten Split-Screen-Montagen mit ihren schrägen Bildelementen haben eine Musikalität, die erregt und swingt – was Hollywood-Badenixe Esther Williams einst die große Wasserrevue war, ist hier der Clip-mäßige Sturm auf die Insel. Der kurz vorher angelaufene Tom-Cruise-Film MISSION: IMPOSSIBLE – ROGUE NATION, der ebenfalls eine benachbarte Sixtiesserie ins Heute verlängert, ist absolut großartig, aber CODENAME U.N.C.L.E. macht dazu noch riesig Spaß.
Erschienen im TV Spielfilm Blog
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The Man From U.N.C.L.E. (Codename U.N.C.L.E.), USA 2015 | Regie: Guy Ritchie | Buch: Guy Ritchie, Lionel Wigram | Mit: Henry Cavill, Armie Hammer, Alicia Vikander, Elizabeth Debicki, Hugh Grant, Sylvester Groth, Christian Berkel, Jared Harris, David Beckham | Laufzeit: 116 Min. | Verleih: Warner (Kinostart: 13.8.2015)