Drei Fragezeichen im Gruselhaus Von Bodo Traber

Von Bodo Traber

Die Kamera schleicht um Schauermauern, Spinngeweb und Fledermausscharen und blickt entsetzt die hohen Giebel empor, die das finstere Herrenhaus in den ebenso finsteren Himmel reckt. Ließ man sich von den Trailern treiben, in denen Mia Wasikowska als holde, viktorianische Maid durch labyrinthische Gänge und Treppenhäuser irrt, durfte man eine klassische Haunted-House-Geschichte erwarten. Dass sich CRIMSON PEAK indes als (leider recht altbackener) Mystery-Thriller und Epigonenzirkus entpuppt, bleibt nicht die einzige Enttäuschung…

crimson-poster Dass es Geister gibt, erfährt die kleine Edith Cushing (Gothic Horror-Star Peter Cushing dürfte als Namensgeber fungiert haben) am eigenen Leib, als ihre gerade beerdigte Mutter sie nachts aufsucht und ihr eine Lebenswarnung mitgibt: „Hüte Dich vor Crimson Peak!“ Erst zwei Jahrzehnte später weiß sie, was damit gemeint war, und auch das erst, als es bereits zu spät ist – inzwischen ist Edith eine streitsame junge Dame, die Schriftstellerin werden und etwas Besonderes aus ihrem Leben machen will, sich dann jedoch in den so charmanten wie geheimnisvollen englischen Gentleman Sir Thomas Sharpe verliebt. Eine Liaison bahnt sich an, die Ediths besorgtem Vater, dem reichen Bostoner Unternehmer, aus Gründen missfällt, die nur er kennt, aber nicht weitergeben kann, da er kurz darauf einen schrecklichen Tod erleidet. Edith heiratet Thomas, bricht alle Brücken hinter sich ab und zieht mit ihrem Ehemann und seiner ihm überaus nahe stehenden Schwester Lucille in die britische Provinz, auf den alten Herrensitz Allerdale Hall, dem die Einheimischen einen makabren Spitznamen verliehen haben. Und bald schon kommt Edith einem ganzen Paket erschröcklicher Geheimnisse auf die Spur, das die alten Mauern verbergen.

crimson-3 Guillermo del Toros romantisches Gothic-Schau(er)stück schwelgt in visueller Opulenz, überwältigt durch ein so detailversessenes wie überlebensgroßes Kostüm- und Produktionsdesign und eine expressive Farbdramaturgie, in der das allgegenwärtige Rot des Lehms zum Leitmotiv wird, der aus Boden, Wänden und Wasserleitungen dringt. Das alptraumhafte, an Antonio Gaudí gemahnende Herrenhaus steht auf einer ausgebeuteten Mine, in die es langsam absinkt, und hat eine Reihe schrecklicher Morde erlebt, deren Opfer als ruhelose Geister noch immer durch die alten Mauern streichen. Aber nicht sie sind es, die Ediths Lebens bedrohen…

crimson-2 Der Schöpfer von PANS LABYRINTH und HELLBOY, in dessen fantasiereichen Visionen sich Romantik und Perversion stets auf unikate Weise vermischen, hat sich nach dem Ausflug in die groteske Monsteraction PACIFIC RIM wieder aufs Märchenerzählen besonnen und wiederum gelingt ihm eine packende Obsessionenballade um eine Quadrage so getriebener und zerrissener wie entschlossener Figuren. Das Darsteller-Ensemble – neben Mia Wasikowska vor allem Jessica Chastain und Tom Hiddleston – ist gewaltig und trägt die morbide Atmosphäre ebenso mit, wie sie sich gegen die Wucht von Bauten und Geistereffekten behaupten können, und doch bleibt das Konstrukt hinter allem zurück, was es hätte sein können. CRIMSON PEAK ist eine ‚schwarze Romanze’ geworden, die an klassische Traditionen (etwa Daphne Du Mauriers „Jane Eyre“) erinnert und vor allem auf eindeutigen Vorbildern des größten Meisters des romantischen Thrillers fußt: Alfred Hitchcocks SUSPICION und NOTORIOUS werden mehr als nur zitiert, prägen vielmehr den Plot bis zur frühzeitigen Vorhersehbarkeit sämtlicher Entwicklungen, und diese bewegen sich meist im Kreis, anstatt konsequent auf einen eigentlich logischen Höhepunkt zuzulaufen. Ein großer Teil der Handlung kreist um Thomas’ Erfindung einer martialischen Fördermaschine, die die Reste der Mine ausbeuten soll. Einmal nur tritt sie donnernd in Aktion, als ihre scharfen Klauen den blutroten Ton aus der Erde holen; sie bleibt im Weiteren ein ebenso folgenlos implantiertes Drehbuchmoment wie die Kessel im Keller und dass von nie stattfindender Höllenfahrt bedrohte Haus selbst. Auch die Geister spielen nur eine wenig dankbare, kaum ausgenutzte Nebenrolle, während die seltsam redundanten Showdowns so handfest wie endlos mit Schaufeln und Messern ausgetragen werden. Da verpufft die große Elegie im Strudel der verschenkten Möglichkeiten, und am Ende stehen wir alle so einsam und verlassen da wie Crimson Peak im roten Schnee. So richtig Hitchcock war’s denn doch nicht, und Gothic Horror auch nicht, eher ein bisschen Hitch für Kids im Gruselhaus, von Del Toro immerhin mit routinierter Virtuosität als Monumentalgemälde zelebriert.

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Crimson Peak, USA 2015, Regie: Guillermo del Toro | Buch: Guillermo del Toro und Matthew Robbins | Musik: Fernando Velazquez | Kamera: Dan Laustsen | Mit: Mia Wasikowska, Jessica Chastain, Tom Hiddleston, Charlie Hunnam, | Laufzeit: 119 Min., Verleih: UPI