Von Bodo Traber
Im Jahre 2003 machte der Filmproduzent Ernst Ritter v. Theumer, sr. noch einmal auf tragische Weise von sich reden, als er in München wegen eines Scheckbetrugs vor Gericht stand, den er begangen hatte, weil er, wie er sagte, von seiner Rente nicht leben konnte. In den 50er und 60er Jahren, hatte er sich, zunächst Industrie- und Dokumentarfilme produzierend, als einer der profiliertesten Vertreter des internationalen Exploitation-Films etabliert, dessen bekanntestes Werk der 1965 entstandene PERRY RHODAN – SOS AUS DEM WELTALL (ORBITA MORTAL) unter der Regie des Italieners Primo Zeglio werden sollte. Die ambitionierte Verfilmung des Pilotromans der legendären Heftreihe „Unternehmen Stardust“ erwies sich leider als künstlerischer und kommerzieller Misserfolg, hatte dem Produzenten aber die internationale Ebene eröffnet. In den 70ern errang mit DER IRRE VOM ZOMBIEHOF eine weitere Theumer-Produktion eher dubiose Bekanntheit.
Dabei gerieten einige der schöneren Filme aus dem Hause Theumer für lange Zeit in unberechtigte Vergessenheit, allem voran das von Mel Welles gedrehte Doppel DAS GEHEIMNIS DER TODESINSEL (1967) und LADY FRANKENSTEIN (1971). Letztgenannter, vermutlich eine Co-Produktion mit Dick Randall, entstand in Italien unter abenteuerlichen Bedingungen mit Rosalba Neri, Paul Müller, Herbert Fux und Joseph Cotten und gilt inzwischen als Kultfilm. (Seit jüngst ebenfalls als empfehlenswerte deutsche DVD erhältlich.)
Seiner Wiederentdeckung harrend, liegt nun auch LA ISLA DE LA MUERTE (international auch als MAN-EATERS OF HYDRA oder ISLAND OF THE DOOMED (un)bekannt) als deutsche DVD-Veröffentlichung vor und erlaubt die Wiederbegegnung mit einem obskuren Werk der Pulp Imagination der 60er Jahre. Das Drehbuch stammt vermutlich (größtenteils) von Theumer und Mel Welles selbst und folgt vage den Pfaden klassischer ‚Mad Scientist’-Geschichten der 30er ebenso wie dem der „Zehn kleinen Negerlein“: Auf einsamer Insel vor der italienischen Riviera pflegt der exzentrische Baron von Weser mit leidenschaftlicher Hingabe einen ganzen Zoo selbst gezüchteter, biologisch höchst ungewöhnlicher Pflanzen; seine besonderen Lieblinge sind die Fleischfresser, ist der Baron selbst doch überzeugter Vegetarier. Dass seine Schöpfungen zuweilen großen Appetit entwickeln, muss eine bunt zusammengewürfelte Gruppe amerikanischer Touristen, die die Insel besucht, bald am eigenen Leib erfahren…
Obwohl in Italien angesiedelt, wurde die bundesdeutsch-spanische Co-Produktion vermutlich eher an der Costa del Sol gedreht und könnte während von Theumers Heimreise von den Kanarischen Inseln entstanden sein, wo die Weltall-Szenen für PERRY RHODAN – SOS AUS DEM WELTALL aufgenommen wurden. Lange Zeit blieb zudem im Dunkeln, wer die Regie überhaupt verantwortete, galt der Name „Mel Welles“ – ebenso wie der des Drehbuchautors „Ira Meltcher“ – vielen Quellen doch nur als Pseudonym des Produzenten. In der Tat jedoch war Welles Charakterdarsteller, Stuntman und festes Ensemble-Mitglied der frühen Filme Roger Cormans und als solcher Star von A BUCKET OF BLOOD und THE LITTLE SHOP OF HORRORS (den dieser Film durchaus imitiert), den es Mitte der 60er tatsächlich nach Italien verschlug, wo er hauptsächlich englische Synchronisationen italienischer Filme anfertigte und für Ernst v. Theumer LA ISLA DE LA MUERTE und LA FIGLIA DI FRANKENSTEIN drehte.
Bemerkenswert für das sichtlich geringe Budget sind die sorgfältige Kameraarbeit und an Hammer-Filme erinnernde Ausstattung; die Musik stammt von Antón Garcia Abríl, der später das klassische REITENDE-LEICHEN-Thema komponieren sollte. Und wie LADY FRANKENSTEIN präsentiert auch die TODESINSEL retrospektiv eine faszinierende Besetzung: Neben Cameron Mitchell in der Rolle des Barons, der zur selben Zeit auch in einigen Klassikern Mario Bavas spielte, sind u.a. Kai Fischer und Rolf von Nauckoff (DER CHEF WÜNSCHT KEINE ZEUGEN) zu sehen. Die Hauptrollen des jungen Pärchens bestreiten die spanischen Darsteller George Martin (Francisco Martinez Celeiro) und Elisa Montes (Elisa Ruiz Penella), die zu jener Zeit ein spanischer TV-Star und in so unterschiedlichen Spielfilmen wie DIE 7 MÄNNER DER SUMURU und DIE RÜCKKEHR DER GLORREICHEN SIEBEN zu sehen war. Eigentlich, wie der Zeichentrickvorspann schon verrät, als Horror-Comedy angelegt, bietet der Film ein typisches, ebenfalls den 30er Jahren entlehntes Comic-Relief-Element in Gestalt einer hysterischen, älteren Touristin, dargestellt von Matilde Munioz Sampedro, ebenfalls damaliger spanischer TV-Star und Großmutter von Javier Bardem.
Resultat einer größtenteils deutschen Produktion, kann die deutsche Synchronfassung von DAS GEHEIMNIS DER TODESINSEL als die eigentlich authentische gelten, zumal sie mit den Stimmen von Thomas Reiner und Arnold Marquis (auf Cameron Mitchell) der englischen weit überlegen und um einige Nuancen jener Ironie im Umgang mit Genreklischees reicher ist, die man gemeinhin eher dem post-modernen Zitatenkino zuschreibt. In der Figur des wahnsinnigen Barons mischen sich Motive aus Dr. Moreau, Graf Zaroff und Kapitän Nemo – insbesondere präsent in einer dem klassischen „Kapitänsdinner“ von 20 000 MEILEN UNTER DEM MEER nachempfundenen Szene, in der der Baron seine Züchtungen serviert, die er dazu dressiert hat, wie Fleischgerichte zu schmecken.
Die Qualität der von CMV herausgegebenen DVD ist nicht brillant, aber akzeptabel. Auch liegt der international, vor allem in den Splatter-Szenen, oft sehr zerschnittene Film in weitestgehend integraler Fassung vor. Zwar zeigt die deutsche Tonspur noch Schnitte an und die Abspannbilder des Films mussten aus einer Videoquelle angesetzt werden, aber er wird hier zumindest vollständiger präsentiert als in den bisher zugänglichen deutschen Versionen. Für das Master wurde offenbar eine 1,85:1-Filmkopie – also dem amerikanischen Breitwandformat entsprechend – verwendet; da der Film in der Premierenfassung in Techniscope gezeigt wurde, wäre die Abtastung einer 2,35:1-Kopie schöner gewesen, aber das tut dem Spaß keinen großen Abbruch.
Durchaus der VOM WINDE VERWEHT des Menschenfressende-Pflanzen-Films, wenn THE LITTLE SHOP OF HORRORS der CITIZEN KANE war.
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La Isla de la muerte, BRD / Spanien 1967, R: Mel Welles, D: Cameron Mitchell, Elisa Montes, Kai Fischer, Rolf von Nauckoff, Hermann Nehlsen, George Martin, u.a.
Anbieter: CMV Laservision