Im Prager Stadtpark wird der leblose Körper des Auslandsjournalisten Gregory Moore (Jean Sorel) aufgefunden und zur Untersuchung ins Leichenschauhaus transportiert. Was jedoch niemand ahnt: Moore ist nicht tot, er lebt – jedoch ist er unfähig, sich zu bewegen oder auch nur mit seiner Umwelt zu kommunizieren. So sehr es die Ärzte wundert, dass weder die Körpertemperatur sinkt noch die Leichenstarre einsetzt, so routiniert wird der Mann als lebender Leichnam für die Obduktion vorbereitet. Moores einzige Möglichkeit auf Rettung liegt in seiner verschwommenen Erinnerung an die letzten Tage und Ereignisse vor seinem letalen Zustand. Schemenhaft stellt er sich Fragen: wie ist er in diese Lage gekommen? Was ist mit ihm geschehen? Die Antwort hat etwas mit einer mysteriösen Entführungsserie zu tun, die die Stadt in Atem hält – und das, was er sich Stück für Stück zusammenreimt, ist nicht weniger als das pure Grauen!
Die Darsteller werden von Lado ebenfalls geschickt in Szene gesetzt. Jean Sorel spielt als lebender Toter/toter Lebender mithin seine beste Rolle. Die titelgebenden ‚Bambole‘ – jene Schmetterlinge, deren jugendhafte Schönheit in der ansonsten kaputten Szenerie umso befremdlicher wirkt – werden von Ingrid Thulin und Barbara Bach auf faszinierende Art und Weise verkörpert. Als nette Dreingaben überzeugen Mario Adorf und zum wiederholten Male Jürgen Drews in einer Gastrolle. Die deutsche Synchronisation ist ebenfalls ein Schmuckstück und speziell Christian Brückner erweist sich für Jean Sorel als Traumbesetzung.
Die Begleitumstände und technische Ausstattung dieser Veröffentlichung verdienen diesmal eine etwas genauere Betrachtung. Bereits 2006 erschien MALASTRANA bei KochMedia auf einer für damalige Verhältnisse sehr anständigen DVD. Doch in Zeiten von HD und großformatigen Bildschirmdiagonalen war es am rührigen Label Camera Obscura, dieses Meistwerk wieder auf Stand zu bringen. Diverse Widrigkeiten setzten der Neuveröffentlichung zu: erst zeigte sich das noch vorhandene Originalfilmmaterial in schlechtem Zustand, dann erhielten die ersten Screenshots der Abtastung in diversen Filmforen negative Kritiken. Doch anstatt diese Anwürfe auszusitzen, stellte das Label die Produktion auf Anfang zurück und ließ kostenaufwändig eine neue Abtastung vornehmen, die restlos überzeugte – MALASTRANA, nun erstmals ungekürzt parallel auf DVD und vorzuziehender Blu-ray erschienen, sah niemals besser aus und entfaltete seine schiere Brillanz nie stärker als auf dieser Veröffentlichung. Der im originalen Breitbildformat erstellte Transfer hat Referenzqualität, neben dem italienischen Ton ist auch die zeitgenössischem deutsche Kinosynchronisation vorhanden – selbst die technischen Problematiken dieser Tonspur wurden soweit wie möglich beseitigt.
Was DON’T LOOK NOW (1973, WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN) für Venedig ist, das ist MALASTRANA für Prag – ein Film, der in seiner geheimnisvollen Erzählweise und grotesken Schönheit Urängste freilegt. Ein Film, der das italienische Genrekino mit all seinen Kniffen und Tricks in Perfektion zeigt. Wer sich dem Bann des Filmes bisher entziehen konnte – mit dieser Veröffentlichung wird das fürderhin keinem Zuschauer mehr gelingen!
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La corta notte delle bambole di vetro, I/D/YUG 1971, R: Aldo Lado, D: Ingrid Thulin, Jean Sorel, Mario Adorf, Barbara Bach, Jürgen Drews, Fabijan Sovagovic
Anbieter: Camera Obscura