Mit THE BRIDES OF DRACULA (DRACULA UND SEINE BRÄUTE, 1960) legt Anolis den unmittelbaren Nachfolgefilm zu Hammers DRACULA (1958) auf Blu-ray vor. Für beide Produktionen zeichnete Terence Fisher als Regisseur verantwortlich. Dracula selber tritt hier allerdings nicht in Erscheinung, vielmehr ist der von Peter Cushing dargestellte Vampirjäger Dr. van Helsing die zentrale Figur. THE BRIDES OF DRACULA kann retrospektiv nicht nur als gelungene Fortführung des Vorgängers gelten, er hat auch Bedeutung für spätere Hammer-Produktionen. So wurden im Vorfeld verschiedene Drehbuchentwürfe in Auftrag gegeben und verworfen, bis schließlich der Produzent Anthony Hinds das finale Drehbuch verfasste. Hier trat er unter dem Pseudonym John Elder auf, ein Name, der in den folgenden Jahren immer wieder auf der Leinwand auftauchen sollte…
Wir befinden uns im Transsylvanien des ausklingenden 19. Jahrhunderts, der Aberglaube und die Furcht vor vampirischen Nachtgestalten ist hier noch allgegenwärtig. Die Lehrerin Marianne soll eine neue Stellung antreten. Der aus Frankreich stammenden jungen Dame ist der “Horror of Dracula” kein Begriff, deswegen steht sie einer Einladung der undurchsichtigen Baroness Meinster offen gegenüber. Alle Warnungen in den Wind schlagend begibt sie sich auf das Schloss und erfährt hier von der vor der Umwelt verborgenen Existenz des Sohnes der Baroness. Obwohl dieser längst verstorben sein sollte, lebt er noch frisch und munter im düsteren Gemäuer. Marianne ist darüber erschreckt, dass er angekettet in seinem Zimmer hausen muss und befreit ihn. Eine Entscheidung, die sie bald bereuen soll, denn der Sohn ist ein sadistischer Vampir. Nach und nach bringt dieser die Frauen der Umgebung unter seine Gewalt und macht sie zu seinen blutdürstigen Gespielinnen. Hier nun tritt Dr. van Helsing auf den Plan…
THE BRIDES OF DRACULA ist im Grunde weniger ein Horrorfilm, sondern ein ewig jung bleibender unheimlicher Märchenfilm für Erwachsene. Zahlreiche Regisseure bedienten sich seiner visuellen Einfälle, stellvertretend sei Tim Burton genannt. Das Entstehungsjahr 1960 ist zugleich ein Markstein für das Genre des phantastischen Films. Die Filmemacher und Darsteller hatten den Geist alter europäischer Sagen und Mythen wesentlich stärker verinnerlicht als Filmschaffende der heutigen Zeit, das alte Europa aus den Zeiten vor den Weltkriegen war noch greifbar. Filme wie dieser lassen erahnen, dass der phantastische Film einen mythologisch und ethisch motivierten Fundus aus Erinnerungen, Erfahrungen und kulturellen Prägungen benötigt, um sein Publikum zu erreichen. Spätestens mit dem Ausklingen der 1960er Jahre hielt die Rohheit, die unmittelbare Darstellung von Gewalt und ihren Auswirkungen Einzug in das Kino, was natürlich ebenso seine Berechtigung hat. Bedauerlich aber ist, dass es im gegenwärtigen Genrekino für dunkelmagische Erzählungen wie THE BRIDES OF DRACULA keinen Raum zu geben scheint.
Die Regiearbeit von Terence Fisher ist wie beinahe immer auf hohem Niveau und exzellent auf dem filmischen Ausdruckseffekt hin fokussiert. Peter Cushing verleiht seinem Dr. van Helsing Autorität und Glaubwürdigkeit. Yvonne Monlaur gibt dem Film eine bittersüße Note, eine hauchzarte Anmutung von Unschuld. Sie ist die klassische Märchenbraut, die sich gegen das Biest erwehren muss. Beeindruckend ist ebenfalls die Darstellung Martita Hunts als isoliert lebende Baroness Meinster. Ihr gelingt ein schauspielerischer Spagat zwischen der glaubwürdigen Verkörperung einer fürsorglichen, wenngleich auch strengen Mutter und einer Frau, die in Furcht vor ihrem eigenen Kind lebt. Die Abwesenheit Christopher Lees, er lehnte eine Mitwirkung ab, erweist sich im Kontext der Handlung als Glücksfall. Der von David Peel dargestellte, sardonisch lächelnde Vampir ist mit seinen blonden Haaren und vordergründig unschuldiger Mine ein idealer Kontrast zum hochgewachsenen, kühlen Fürsten der Finsternis, wie ihn Lee darstellte. Das mitteleuropäische Äußere Peels ist ein Bruch mit der Tradition, böse und unheimliche Charaktere mit “dunklen” Darstellern zu besetzen. Die goldig glänzende Haarpracht Peels fügt sich nahtlos in die kontrastreiche Farbigkeit von THE BRIDES OF DRACULA ein, es dominieren satte Braun- und Rottöne. Überhaupt ist die Kameraarbeit von Jack Asher, dieser war unter anderem auch für THE CURSE OF FRANKENSTEIN (FRANKENSTEINS FLUCH, 1957) und THE HOUND OF THE BASKERVILLES (DER HUND VON BASKERVILLE, 1959) verantwortlich, als erlesen zu bezeichnen. Diese visuelle Pracht kommt auf der nun erhältlichen Blu-ray von Anolis zum ersten Male richtig zur Geltung, ältere DVDs können von nun an bewusst ignoriert werden. Erschienen ist der Film sowohl in verschiedenen Media-Book-Ausgaben wie auch als Standard-Edition. Neben Trailern, der deutschen Titelsequenz, einer Bildergalerie und verschiedenen Filmprogrammen finden sich noch drei besondere Extras. Da ist zum einen der Audiokommentar von Rolf Giesen und Uwe Sommerlad, der das bisher hohe Niveau der Kommentare in der Anolis-Edition halten kann. Das halbstündige Making Of ist hochinteressant, da hier zahlreiche Hammer-Veteranen zu Wort kommen. Yvonne Monlaur wiederum wird mit einem fast halbstündigen Interview ausführlich gewürdigt.
The Brides of Dracula
GB 1960
R: Terence Fisher
D: Peter Cushing, Martita Hunt, Yvonne Monlaur, David Peel, Michael Ripper u.a.