Wissen bestimmt ihr Schicksal.

Klassenunterschiede, wodurch auch immer motiviert, zu überwinden oder gar vollständig zu beseitigen; daran tüfteln ganze Systeme seit Jahrtausenden – Erfolge sind messbar, doch übersichtlich. Aber was, wenn es eine naturgegebene, dem menschlichen Leben immanente Bestimmung gibt, in welcher „Klasse“ man sich zu verorten und einzureihen hat? Diesem interessanten Gedankenspiel geht die englische Independent-Produktion FREQUENCIES nach und – so viel sei vorweg gesagt – Regisseur und Drehbuchautor Darren Paul Fisher hat dafür kräftig „in die Tasten gegriffen“.

Cover-FREQUENCIES In einem anderen England in gleicher Zeit: so müsste man wohl den Ort bestimmen, an dem diese Geschichte spielt. Die gesellschaftliche Position jedes Menschen ist von Kindesbeinen an vorgezeichnet: verantwortlich dafür sind die Schwingungen einer Person, die Frequenz – FREQUENCIES. Wer eine hohe Frequenz besitzt, ist automatisch Glückskind und von der Sonne geküsst, hat aber mit Gefühlen und Empathie so seine Probleme – dem „Niedrigfrequenzer“ haftet das Schicksal mit umgekehrten Vorzeichen an. Marie-Curie Fortune & Isaac-Newton „Zak“ Midgeley hat es in dieser Art getroffen, doch speziell Zak will das nicht akzeptieren – denn er liebt Marie. In einer Reihe von Experimenten gehen Marie und Zak dem Phänomen auf den Grund – doch statt simpler „Datengewinnung“ entdecken die beiden ihre tiefen Gefühle zueinander. Aber die Frequenz steht zwischen den beiden; unüberbrückbar ist die Gesellschaft gegen diese Verbindung. Mit Anfang 20 scheint Zak endlich einen Weg zur Angleichung ihrer Frequenz gefunden zu haben – doch als er erfährt, welchen für die ganze Menschheit zerstörerischen Nebeneffekt seine Technik hat, haben die beiden nicht nur unversehens eine geheime Regierungsbehörde am Hals, sondern dringen hinter nicht weniger als das ganze Geheimnis der Schwingungen!

FREQUENCIES-01 Was Regisseur Fisher, der den Film auch in Eigenarbeit produzierte, hier auf den Zuschauer loslässt, zeugt von großer individueller Klasse und gestaltet sich facettenreich, mit überraschenden Wendungen. Die Geschichte, deren Versatzstücke nicht zuletzt an George Orwell gemahnen, breitet nicht nur Oberflächenreize aus, sondern ist in ihrer Kompaktheit durchdacht und für den Zuschauer spannend zu verfolgen. Aufmerksamkeit wird verlangt, simples Konsumieren lässt einen schnell den Faden verlieren. Die Liebesgeschichte zwischen der „Maschine“ Marie und dem „Empathling“ Zak funktioniert als Motor, um die Story in Gang zu setzen und wirkt nie übertüftelt – ein angenehmes Abweichen von der oftmaligen Norm derzeitiger Dystopien. Dass das Skript dabei selbst mit Skurrilitäten (Kinder hören auf prachtvolle Namen wie Albert-Einstein Cole, Nicola-Tesla Hertz oder Theodor-Adorno Strauss) aufwartet, zeugt von der Weitsichtigkeit des Autors.

FREQUENCIES-04 Fisher lässt nichts unversucht, den Zuschauer auf diese Reise mitzunehmen. Und wie sehr wir das, was die Leinwand uns zeigt, als normal erachten, beweist, wie wir uns schon nach kurzer Zeit an die seit Beginn des Filmes verwendete kalt-monochrome Optik gewöhnt haben. So sehr sind auch wir übermannt von der Farbenpracht, die sich im Augenblick von Maries erstem tatsächlichen Gefühl über sie und ihre gesamte Umwelt ergießt! Mehrfach wechselt der Film den „point of view“, erzählt die Entwicklungen der beiden Hauptpersonen nacheinander aus ihrer beider Blickwinkel und zieht jeweils Querverbindungen, die sich für den Zuschauer erst peu à peu aus den Verästelungen der Geschichte heraus dezidieren.

Die sparsame, jedoch für die Atmosphäre ungemein bereichernde Musik von Blair Mowat tut ihr Übriges – große Flächen, oftmals nur ein Hintergrundrauschen, dann wieder eine ambivalente Klavierrhapsodie; im Soundtrack finden sich alle Ingredienzen, derer es bedarf um einen intelligenten Film zwischen Romantik, Mystery und Science Fiction noch besser zu machen.

FREQUENCIES-02 Bedauerlich, dass dem Streifen – trotz des Prädikates „Festivalhit“ – hierzulande kein Kinostart zuteilwurde. Dank des noch vergleichsweise jungen Labels OFDb Filmworks kann man nun jedoch zumindest auf heimischen Bildschirmen einen Exkurs in dieses filmische Gedankenspiel unternehmen. Neben der hochwertigen deutschen Synchronisation wird der englische Originalton im fein abgemischten, DTS-codierten 5.1 Surround angeboten. Der leider nicht untertitelte Audiokommentar erweist sich als informativ, weitere Dreingaben wie der deutsche und originale Trailer verstehen sich von selbst. Neben einer dem Endschnitt zum Opfer gefallenen Bonusszene und Aufnahmen von der Castings, gehen 7 kleine Featurettes auf besondere Hintergründe des Filmes ein und lassen die Macher zu Wort kommen. Hier behandelte Themen sind „Die Geschichte“, „OXV“, „Das Casting und die Rollen“, „Die Produktion“, „Der Schnitt“, „Die Musik“ und „Die Festivals“. Dankenswerterweise sind diese Bonusmaterialien mit deutschen Untertiteln versehen. Unter den Editionen sollte man zur Blu-ray des Filmes greifen, da hier nicht nur die beeindruckende Optik und zwingende Bildsprache des Filmes voll zur Geltung kommt, sondern das schwere Hochglanz-Steelbook darüber hinaus sehr schnieke aussieht.

Spannendes Erzählkino für Herz und Hirn; ein Beweis erneut, dass anspruchsvolle Filme nicht hoch budgetiert sein müssen. Man muss sich darauf einlassen, Marie und Zak durch das Thesen- und Storylabyrinth zu begleiten – man wird mit geistvoller Filmpräsenz und einem Spiel auf der Klaviatur des Intellekts belohnt. „Wissen bestimmt ihr Schicksal”, mag uns der Sinnspruch der in FREQUENCIES portraitierten Gesellschaft glauben machen – doch irgendwann werden die Gravuren sich ändern, die Menschheit sich erinnern: „Musik ist Trumpf“.

___________________________________________________________

Frequencies, AUS/UK 2013, R: Darren Paul Fisher, D: Daniel Fraser, Eleanor Wyld, Owen Pugh, David Broughton-Davies, David Barnaby, Timothy Block

Anbieter: OFDB Filmworks