Abgesehen von HUDSUCKER – DER GROSSE SPRUNG von den Coen-Brüdern, in dem die Genese des Hula-Hoop-Reifens besungen wurde, hat es kaum je eine derart reife, herrliche Tragikomödie über ein derart banales Thema wie den sich selbst auswringenden Wischmop gegeben wie JOY – ALLES AUSSER GEWÖHNLICH – der neue Film vom AMERICAN HUSTLE-Team David O. Russell (Regie), Jennifer Lawrence und Bradley Cooper.
„Ich komme mir vor wie im Gefängnis!“ klagt Joy und hat völlig recht damit. Immer wieder muss sie ihren gar nicht Lieben Grenzen setzen, doch der große Ausbruch scheint Illusion zu bleiben. Bis Vater sich die reiche italienische Witwe Trudy angelt, die ganze Familie auf deren 17-Meter-Yacht Party macht – und sich Joy beim Aufkehren zersplitterter Rotweingläser die Hände verletzt.
Die Familie als Segen und vor allem Fluch zugleich: Das Drama des begabten Kindes als US-amerikanische Success-Story und als Beinahe-Tragödie vom fast sicheren Untergang. Jennifer Lawrence ist das All-American-Girl, das zu Höherem geboren ist, aber permanent von der eigenen Familie ausgebremst wird – teils aus wurschteliger Ahnungslosigkeit, teils aus miefiger Kleinkrämerei und kleingeistigem Neid.
Immer wieder überrascht der Film mit unvermuteten Situationen, kuriosen Figuren (Bradley Cooper als zielgerichtet-verträumter QVC-Leiter ist zum Piepen!) und wunderbaren Auflösungen. Unterschwellig fühlt man sich immer wieder an Hollywood-Klassiker wie IT HAPPENED ONE NIGHT, NETWORK oder CITIZEN KANE erinnert, einmal ganz deutlich sogar an Edward Hopper. Aber Regisseur David O. Russell stellt nichts aus, übertreibt wenig, vermeidet Showstopper, bleibt immer nah an seiner Hauptfigur, der wieder großartigen Jennifer Lawrence.
Vor diesem Hintergrund scheint die Familie Mangano nicht sonderlich absonderlich; man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass alle, wie sie hier versammelt sind – vor der Kamera, hinter den Kulissen und daheim an den Empfangsgeräten – eine große, magische Familie bilden. Doch nur Joy ist die, die das irgendwann begreift und zu ihrem Vorteil nutzt. Sie ist die Erfinderin, die Visionärin, die Grenzgängerin, die alle Schranken überwindet: Idee und Form, Realität und Fiktion, Familie und Kundenstamm – letztlich gehört alles zusammen, ist alles eins. Es braucht nur einen Wischmop, um dahinterzukommen.
Erschienen im TV Spielfilm Blog.
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Joy, USA 2015 | Regie: David O. Russell | Drehbuch: Annie Mumolo, David O. Russell | Musik: David Campbell, West Dylan Thordson | K: Linus Sandgren; | D: Jennifer Lawrence, Bradley Cooper, Robert De Niro, Édgar Ramírez, Diane Ladd, Virginia Madsen, Isabella Rossellini, Elisabeth Röhm, Dascha Polanco | Laufzeit: 124 Min. | Verleih: 20th Century-Fox