Synchronkultur aus Vorkriegsjahren… Von Gerd Naumann

Von Gerd Naumann

Die Filmsynchronisation in Deutschland war keineswegs eine Erfindung der Alliierten, so erfuhren zahlreiche Spielfilme auch bereits in den Jahren vor dem Kriege eine deutsche Bearbeitung. Bekannte Beispiele hierfür sind ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (IM WESTEN NICHTS NEUES, 1930) und KING KONG (DIE FABEL VON KING KONG – EIN AMERIKANISCHER TRICK- UND SENSATIONSFILM, 1933). Während frühe Synchronbearbeitungen oftmals noch sichtlich asynchron gerieten und künstlerische Mängel aufwiesen, entwickelte sich im Laufe der Jahre eine gewisse Synchronroutine. So kann etwa die zeitgenössische deutsche Version von Frank Capras IT HAPPENED ONE NIGHT (ES GESCHAH IN EINER NACHT, 1934) als eine der Originalfassung in künstlerischer Hinsicht ebenbürtige Sprachfassung gelten.

KOMTESS-Cover Die Gelegenheiten solcherart Vorkriegssynchronisationen erleben zu dürfen, sind allerdings rar. Oftmals gingen diese Fassungen verloren oder lagern in Archiven, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Nicht wenige Filme, die ehedem synchronisiert wurden, mussten daher für spätere Fernseh- und Videoauswertungen nochmals bearbeitet werden. Das Label Big Ben Movies legt mit den in der Filmclub Edition erschienenen DVDs zu KENTUCKY (DIE GOLDENE PEITSCHE, 1938) und CONTESSA DI PARMA (KOMTESS VON PARMA, 1938) nun überraschenderweise gleich zwei Filme in Vorkriegssynchronfassung vor. Bei CONTESSA DI PARMA handelt es sich um ein italienisches Lustspiel, das ehedem durch die Deutsch-Italienische Film-Union, kurz DIFU, verliehen wurde. Die titelgebende Komtess ist nicht das, was sie vorgibt zu sein. Ihr Leben in Saus und Braus, auf Jet-Set- und Sportveranstaltungen ist reine Staffage. Nunmehr ergeben sich besondere Liebeswirren, denn sie muss sich zwischen ihrer Jugendliebe und einem attraktiven Verehrer entscheiden… Bei KENTUCKY wiederum handelt es sich um eine Produktion von Darryl F. Zanuck. Erzählt wird eine romantische Geschichte, die zudem Motive des Westerns aufgreift. Sally und Jack lernen sich kennen und lieben, wissen aber nicht um die ehemalige Feindschaft ihrer beiden Familien. Durch widrige Umstände droht Sally der Verlust ihrer Farm, was Jacks Familie dazu bewegt, ihr ein besonderes Pferd zu schenken. Bei diesem handelt es sich um ein Sporttier, dass diverse Rennen gewinnen und Sally vor dem Ruin retten soll. Dadurch soll die Erbschuld der Familie Jacks getilgt werden… Filmhistorisch relevant ist das Werk unter anderem durch die Tatsache, dass Darsteller Walter Brennan für seine Leistung mit einem Oscar geehrt wurde.

KENTUCKY-01 Die deutschsprachigen Fassungen beider Filme können als gelungen bezeichnet werden, wenngleich der Ton von CONTESSA DI PARMA etwas dumpf klingt. Das aber kann auch auf das damalige Aufnahmeverfahren zurückzuführen sein. Auffällig ist bei beiden Fassungen die Akkuratesse, mit der die Illusion einer Originalsprachfassung erzeugt werden sollte. Das gelingt beispielsweise bei CONTESSA DI PARMA hervorragend, so verblüffend ähneln der Sprachduktus der Darsteller und der deutsche Dialog vergleichbaren Lustspielen aus der UFA-Produktion.

PEITSCHE-Cover Die Editionen von CONTESSA DI PARMA und KENTUCKY sind jeweils auf 1200 Exemplare limitiert. An die Bildqualität sollten keine großen Ansprüche gestellt werden, es handelt sich offensichtlich um ältere Bildquellen und nicht um eigens erstellte Abtastungen. Während CONTESSA DI PARMA lediglich die deutsche Tonspur bietet, beinhaltet die DVD von KENTUCKY zudem noch die englische Originalsprachfassung. Relevant ist hier auch die Tatsache, dass gleich zwei Filmfassungen enthalten sind – zu einem die kürzere deutsche Kinovariante und zum anderen die ungekürzte amerikanische Kinofassung. Alles in allem können Sammler und filmhistorisch Interessierte bei beiden Editionen zugreifen, wenngleich die technische Qualität der Präsentation natürlich keine HD-Referenz aufweisen kann. Es grenzt allerdings bereits an ein Wunder, dass sich ein Label an die Veröffentlichung dieser Kleinode heranwagt. Dafür gebührt Big Ben Movies nicht nur großer Dank, sondern der Wunsch, auch zukünftig versunkene Filmschätze zu heben, der Vergessenheit zu entreißen und somit der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen.

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Contessa di Parma, Italien 1938, R: Alessandro Blasetti, Mit: Elisa Cegani, María Denis, Pina Gallini, Antonio Centa, Ugo Ceseri, Umberto Melnati u.a.

Kentucky, USA 1938, R: David Butler, Mit: Loretta Young, Richard Greene, Walter Brennan, Douglass Dumbrille, Karen Morley, Moroni Olsen u.a.

Anbieter: Big Ben Movies