Da gehe ich auf Hamburg-St. Pauli ins Kino, ist da dieser Typ, der erst mal die Tusse in der ersten Reihe anmacht, weil sie alle guten Plätze für ihre Freunde belegt hat, die noch gar nicht da sind… Kommen der Typ und ich also nebeneinander zu sitzen, stellt sich der als junger Regisseur heraus! Ein paar Tage später kriege ich meine kleine Privatvorstellung – und bin begeistert: So locker-schroff wie Arne Körner ist auch sein Film! Selten wurde das Ende einer Liebe so lakonisch-unsentimental abgehandelt wie in THE BICYCLE…
Ein junger Mann, Mark sein Name, strampelt mit dem Fahrrad von Hamburg nach Paris, wo er sich im Sommer mit Antonia aus Kanada traf – und erinnert sich an viele, meist merkwürdige Episoden…
Was wir Zuschauer sehen, ist weder Nouvelle Vague noch Hollywood, nur ein klitzekleiner Independentfilm aus Deutschland; die Stadt der Liebe ist hübsch wie immer, vor allem aber ein Klischee; was Mark und Antonia einmal aneinander interessiert haben mag, ist schon lange kein Thema mehr. Denn jetzt geht’s nur noch auseinander. Ein letztlich trauriger Film also, trotzdem ohne Tränen.
Spielerisch, sehr lebhaft und ungeheuer frisch setzt Regisseur und Autor Arne Körner die Szenen aneinander, deckt immer wieder ihren verborgenen Witz auf (Körner ist unverkennbar norddeutsch) und stemmt sich gegen alle üblichen romantischen Erzählmuster, indem er den Ton auf Maximalpegel stellt: Paris ist eine grelle, laute Großstadt, Zärtlichkeiten scheinen hier irgendwie fehl am Platz.
Eigentlich möchte man, dass Mark und Antonia ihren Kino-Vorbildern Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg in AUSSER ATEM oder Ethan Hawke und Julie Delpy in BEFORE SUNSET entsprechen. Doch, hey, dies ist schon das nächste Jahrtausend, und da darf jeder so fehlerhaft sein, wie er (oder sie) nun mal ist. Mark und Antonia verständigen sich auf Englisch, er kann sogar ein bisschen Französisch, sie ein paar Brocken Deutsch – doch eine gemeinsame Sprache sprechen sie nicht wirklich. Die Stoffeligkeiten, Missverständnisse und Enttäuschungen häufen sich, bis eben nichts mehr geht.
Das ist natürlich sehr schade, gleichzeitig aber auch sehr amüsant: Bockiger sein und mehr falschmachen als Mark kann man eigentlich nicht, trotzdem hat der junge Schnösel kein Gespür dafür, was er da eigentlich tut. THE BICYCLE ist nicht unbedingt das typische Date Movie, aber wenn doch, dann hat Sie mindestens genau so viel Spaß wie Er.
PS: Ich könnte jetzt noch viel erzählen über die wunderbaren Schauspieler, vor allem den großartigen Akin Sipal mit seiner original Hamburger Kodderschnauze, über entlarvende Sprüche („Ich mag Frauen, die keinen Stress machen.“) oder die dezente Poesie des Films (das Klötern der Radspeichen!), doch sollte sich jeder selbst ein Bild machen: THE BICYCLE ist DIE deutsche Anti-Romanze – so echt, dass es schmerzt, und doch so witzig, dass es nicht in Zynismus versinkt. THE BICYCLE muss sofort ins Kino!
Ja, muss, weil der Film zwar fertig ist, die Verleiher aber erst noch anbeißen müssen. Wer nicht auf den regulären Kinostart warten mag, kann den Film vorab auf Sondervorführungen sehen:
– vom 24.–28. Februar auf der Jahresausstellung der HFBK Hamburg
(25.2 um 18.30 Uhr und 28.2. um 18.35 Uhr)
– am 7. Mai auf dem Fahrrad Film Festival Nürnberg
– und am 29. oder 30. Mai im Hamburger Metropolis Kino (genaues Datum bitte erfragen)
Erschienen im TV Spielfilm Blog.
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The Bicycle, D 2015 | Regie: Arne Körner | Drehbuch: Arne Körner, Akin Sipal | Kamera: Martin Prinoth | Mit: Akin Sipal, Carly May Borgstrom | Laufzeit: 82 Min. (noch kein deutscher Verleih)