Ein Ehepaar in einem Auto irgendwo auf einer staubigen Landstraße des US-amerikanischen Südens. Schlechte Stimmung. Walter, ein erfolgloser Schriftsteller, der sein angeschlagenes Selbstwertgefühl im Erniedrigen seiner Ehefrau zu kompensieren sucht. Eva, Tochter aus wohlhabendem Hause, die sich den Widerwärtigkeiten ihres Mannes verbal erwehren muss, sich aber auf animalische Art immer noch zu ihm hingezogen fühlt. Ein Paar in einem Urlaub, der mit Entspannung und Ruhe nicht das Geringste zu tun hat. Konsequenterweise endet schon die erste Sequenz mit einer Quasi-Vergewaltigung. Doch das lässt sich steigern, als das Paar einen Mann neben einem liegengebliebenen Straßenkreuzer am Wegesrand aufgabelt. Der Mitgenommene beginnt ein Gespräch, dessen sexistische Fixierung auf Eva immer mehr zutage tritt. Als Walter die Anzüglichkeiten des Fremden zu viel werden, blickt er bald in die Mündung eines Revolvers. Der Fremde entpuppt sich als psychopathischer Krimineller auf der Flucht vor der Polizei.
Drei Jahre nach Mario Bavas thematisch ähnlich gelagertem Werk RABID DOGS von 1974, das allerdings erst 1997 erstmals veröffentlich wurde, entstand Campaniles böser WENN DU KREPIERST – LEBE ICH. Exploitationkino vom Feinsten, das sich immer mal wieder aus der zeitgenössischen Populärkultur speist (sogar Spielbergs DUELL wird zitiert) und dabei intelligenter ist als es auf ersten Blick erscheinen mag. Die Rollen sind allesamt sorgfältig besetzt – Franco Neros Walter dürfte einer der unsympathischsten Charaktere seiner Karriere sein, Corinne Clerys Eva ist ein immer noch höchst erotischer, aber wehrhafter Gegenpart zu ihrer Figur in DIE GESCHICHTE DER O und David Hess wiederholt als Anhalter seine Rolle als Psychopath aus LAST HOUSE ON THE LEFT.
Pasquale Festa Campanile war zur damaligen Zeit eher bekannt als Regisseur von erotischen Komödien wie ALS DIE FRAUEN NOCH SCHWÄNZE HATTEN, zeichnete aber auch für das Drehbuch von Viscontis DER LEOPARD verantwortlich. Vom Anspruch her ist WENN DU KREPIERST eine Mischung aus beidem, nur ohne Humor, auch wenn einzelne Charaktere oft bis zur Karikatur überzeichnet sind. Der Fremde heißt selbstverständlich Adam und hat bald seine ganz eigene Version der biblischen Geschichte im Sinn, als er Eva vor den Augen Walters vergewaltigt. Bezüge zu der berüchtigten Vergewaltigungssequenz in Peckinpahs STRAW DOGS kommen in den Sinn, denn auch in WENN DU KREPIERST scheint die Frau das demütigende Geschehen irgendwann zu genießen – im filmischen Kontext gibt sie jedoch eher den Genuss nur vor, um dem machohaften Besitzdenken ihres Ehemannes einen weiteren Dämpfer zu verpassen und im Überwinden der Opferrolle den inhärenten Erniedrigungsabsichten entgegenzusteuern. Dennoch gehört für Eva Gewalt in der Ehe zum Alltag, und Walters eigene sexuelle Übergriffe sind ohnehin näher an Vergewaltigungen als an Liebesbekundungen. Campanile zelebriert diese irritierende Ambivalenz seiner Figuren in vielen kleinen Details, lässt ihre Motive aber im Unklaren und bezieht nie klar Stellung. Die Empörung des Rezipienten ist da also durchaus erlaubt und auch beabsichtigt. Ein schwules Gangsterpaar und eine jugendliche Motorradgang, die allesamt übles im Sinn haben, tragen auch nicht dazu bei, das negativ gezeichnete Menschenbild zu verbessern.
Man kann dem Film damit leicht einen bösartigen, abfälligen Umgang mit Randgruppen unterstellen, wie es der Filmdienst und sein Zweitausendeins Filmlexikon seinerzeit tat (das übrigens in seiner kurzen Inhaltsangabe das Finale spoilert – so viel zum Thema Bösartigkeit), übersieht dabei aber, dass der Film überhaupt niemanden in einem guten Licht erscheinen lässt. Campaniles Roadmovie ist ein pessimistischer Abgesang auf die Ideale der Flower Power Generation, deren Geist in den von Gitarren begleiteten Gesängen am Lagerfeuer des Campingplatzes mitschwingt. Auf der Tonspur liefert Maestro Ennio Morricone zusätzlich den ganzen Film über poppig, folkloristisch angehauchte Melodien, die aus einem der typischen Roadmovies der sechziger Jahre stammen könnten und konterkariert damit akustisch das visuelle Geschehen.
Das ist zynisch und unangenehm bis zum überraschenden Ende, das ob der mäandernden Dramaturgie, die mehr als eine narrative Fußnote bereithält, gemein und unvorhersehbar daherkommt. Ganz eindeutig ein absolutes Ausnahmewerk im Oeuvre des Regisseurs, dem man einen solch hoffnungslosen Pessimismus gar nicht zugetraut hätte, und der auch danach bis zu seinem Tod im Jahre 1986 nie mehr derartig schonungslos und bitter zu Werke ging.
OFDB Filmworks haben diesem rohen und ungeschliffenen Brocken von Film ein schönes DVD-Blu-ray-Combopaket spendiert. Neben einem informativen Booklet, das die Ambivalenzen der Geschichte sorgfältig herausarbeitet, gibt es einen wie immer sehr gelungenen, filmtheoretisch erhellenden Audiokommentar von Marcus Stiglegger. Die eineinhalbstündige Dokumentation „Road To Ruin“ ist im Wesentlichen ein Zusammenschnitt von Interviews mit den drei Hauptdarstellern und dem Regieassistenten Neri Parenti. Es ist manchmal ein wenig zu viel der Selbstbeweihräucherung darin, wenn Franco Nero immer wieder behauptet, wie berühmt er doch damals war und welche Möglichkeiten ihm offenstanden, bleibt aber über eine Laufzeit von fast eineinhalb Stunden angenehm nostalgisch und durchweg interessant.
Das Bild ist für einen Film dieses Alters sehr ordentlich. Angenehmerweise wurde das Filmkorn nicht digital glattgebügelt. Die Bildqualität variiert je nach Helligkeit der Szenen, was allerdings dem bei der Produktion verwendeten Filmmaterial geschuldet ist. Der klare Zweikanalton liegt in Italienisch, Deutsch und Englisch vor. Dazu sind deutsche Untertitel zuschaltbar.
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Autostop rosso sangue, Italie 1977, R: Pasquale Festa Campanile, D: Franco Nero, Corinne Cléry, David Hess u.v.a.
Anbieter: OFDb Filmworks