Am Ende steht… das Ende. Von Gerd Naumann

Von Gerd Naumann

Regisseur Abel Ferrara siedelte vor einigen Jahren nach Italien über und drehte dort künstlerisch ansprechende Filme, die aber thematisch nicht zwingend mit seinen New Yorker Motiven verwandt waren. Mit 4:44 – LAST DAY ON EARTH legte er allerdings einen Film vor, der nahtlos an die Meriten vergangener Tage anschließt. Ferrara geht darin von der Prämisse aus, dass die Welt am Morgen des kommenden Tages um genau 4:44 Uhr untergehen wird. Das Künstlerpaar Skye und Cisco, sie Malerin und er Schauspieler, entscheidet sich dazu, die verbleibenden Stunden auf jeden Fall gemeinsam zu erleben. Beide ziehen sich in ihr New Yorker Hochhausapartment zurück und verbringen einen letzten, normalen Tag…

Cover-4-44 Es entspinnen sich sogleich Assoziationen zu Lars von Triers ANTICHRIST, in dem Willem Dafoe ebenfalls eine „besondere“ Beziehungsarbeit zu leisten hatte. Im Mittelpunkt von 4:44 stehen aber die individuellen Problembewältigungsstrategien zweier Menschen innerhalb einer Beziehung, die hier die größtmögliche Herausforderung zu meistern haben – Liebe, bis dass der Tod sie scheidet. Und so schildert Ferrara schnörkellos den Alltag seiner beiden Protagonisten. Sie arbeitet wie gewöhnlich an einem Bild, er verfolgt die Berichterstattungen über das nahende Ende und steht in Austausch mit der Außenwelt. Immer ist die gemeinsame Zuneigung, die Liebe zu spüren, die beider vordergründig banaler Tätigkeiten im Angesicht der Katastrophe zu einem Bekenntnis für das Leben zu zweit macht. Wer sich für einen Menschen entschieden hat, nie daran zweifelnd, diesen zu lieben und zu ehren, für den stellt auch die Gewissheit des Todes keine Erschütterung dar. Bemerkenswert ist das Ende – Ferrara visualisiert nicht den Weltuntergang, verzichtet auf spektakuläre Spezialeffekte. Das Ende – es ist intim, eine Liebeserklärung, eine zärtliche Ode an das ewig Göttliche. Mit diesem Ausklang schließt sich im Œuvre Ferraras zugleich der inhaltliche Bogen. Der nimmermüde Wilde, der unentwegt die Fragen nach Schuld und Erlösung, den Konsequenzen des moralischen wie auch amoralischen Handelns stellte, ist am Ende angekommen, in friedlichem Einklang mit sich und der Schöpfung. Ein magischer Kinomoment ist es überdies auch noch…

4-44-02 Der Film ist auf DVD und Blu-ray über Capelight erschienen, vor allem die Blu-ray besticht durch ein detailreiches HD-Bild. Der Ton liegt in Deutsch und in Englisch vor, die deutsche Synchronfassung ist hervorragend und eine gelungene Alternative zum Originalton. Bis auf einen Trailer wird kein Zusatzmaterial geboten, was allerdings Sinn ergibt. Das Publikum muss und sollte sich ohne begleitenden Kommentar auf diese intensive Reise begeben.

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4:44 Last Day on Earth, USA 2011, R: Abel Ferrara, D: Willem Dafoe, Natasha Lyonne, Shanyn Leigh u.a.

Anbieter: Capelight