Fürchte dich, wenn der Dämon kommt. Von Gerd Naumann

Von Gerd Naumann

Der Begriff „Rache“ wird allgemein mit negativen Gefühlen in Verbindung gebracht. Wenn aber die „Galerie des Grauens“ zum Racheschlag ausholt, ist das ein Grund zur Freude. Mittlerweile schon in die dritte Runde geht die beliebte Kollektion, in der sowohl Genreklassiker wie auch unbekannte Werke des phantastischen Grusel- und Science-Fiction-Kinos zusammengefasst werden. Den Beginn der „Rache der Galerie des Grauens“ markiert mit NIGHT OF THE DEMON (DER FLUCH DES DÄMONEN, 1957) ein anerkanntes Meisterwerk des phantastischen Kinos, das von Altmeister Jacques Tourneur in Szene gesetzt wurde. Tourneur, dem der geneigte Genreliebhaber unsterbliche Klassiker wie CAT PEOPLE (KATZENMENSCHEN, 1942) oder I WALKED WITH A ZOMBIE (ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE, 1943) verdankt, adaptierte mit NIGHT OF THE DEMON eine 1911 publizierte literarische Vorlage von M. R. James. Aufmerksame Zuschauer werden pointierte Selbstzitate Tourneurs erkennen, die auf besagte Filme verweisen.

03RGG01_FluchDaemonen_Front In atmosphärisch-gruseligem Schwarz-Weiß beginnt der Film gleich mit einem Paukenschlag, der ersten Visualisierung des Dämons. Hierüber ranken sich viele Legenden, so wird kolportiert, dass Tourneur diesen eigentlich nicht zeigen, sondern dessen Aussehen der Phantasie des Zuschauers überlassen wollte. Produzent Hal E. Chester habe dagegen auf der Visualisierung des Übersinnlichen bestanden. Ob dies tatsächlich so gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren. Jedoch ist der Schockeffekt ungemein wirkungsvoll. Im Verlauf der Handlung werden wir mit John Holden, einem amerikanischen Psychologen, vertraut gemacht. Holden bereist das kleine englische Städtchen unter anderem, um sich mit dem Treiben eines ominösen Teufelskultes auseinanderzusetzen. Diesem wiederum steht der selbsternannte Doctor Karswell vor, der sich mit den Mächten des Bösen eingelassen hat und glaubt, diesen uralten Kräften Herr werden zu können…

06RGG01_FluchDaemonen_Scree Die Besetzung von Doctor Karswell mit dem irischen Charakterdarsteller Niall MacGinnis ist ein seltener Glücksfall. Dieser verkörpert einen charismatischen Bösewicht mit enormer emotionaler Bandbreite. Einerseits gibt er als Clown verkleidet ein Kinderfest und imaginiert herzlich wie liebevoll kleine Zauberkunstkabinettstückchen, andererseits hat er keine Skrupel, die dunklen Mächte heraufzubeschwören, und damit ebenjene Kinder einer Gefahr auszusetzen. MacGinnis gibt Doctor Karswell als großes Kind, das mit dem Feuer spielt und dem jederzeit droht, sich daran die Finger zu verbrennen. Die Karriere des amerikanischen Darstellers Dana Andrews, unter anderem bekannt durch seine Rolle in Otto Premingers Film-Noir-Klassiker LAURA (1944), hatte Ende der 1950er Jahre bereits ihren Zenit überschritten. Dass er für die Titelrolle der britischen Produktion NIGHT OF THE DEMON verpflichtet wurde, hatte er neben der Fürsprache Tourneurs auch der Tatsache zu verdanken, dass die Titelrolle mit einem bekannten amerikanischen Gesicht besetzt werden musste. 01RGG01_FluchDaemonen_Poste Diese merkantile Überlegung ging auf, so wurde der Film auch in den USA vermarktet. Während der Film im Herstellungsland bereits im Dezember 1957 anlief, war er in den USA allerdings erst im Juli des darauffolgenden Jahres zu sehen. Hierfür wurde der Titel in CURSE OF THE DEMON geändert. Für den amerikanischen Theatereinsatz wurde Tourneurs Werk überdies von 95 Minuten auf etwa 83 Minuten Spielzeit heruntergekürzt. Hierdurch war der Film zwar in den üblichen Doppelprogrammen der Drive-Ins einsetzbar, büßte jedoch etwas von seiner unheimlichen Aura, seiner magischen Faszination ein. Die deutsche Erstaufführung erlebte der Film dann schlussendlich Ende der 1970er Jahre in der ARD, der Synchronisation lag die ehedem gekürzte amerikanische Verleihfassung zugrunde. Künstlerisch ist diese Synchronfassung nicht zu beanstanden, neben einem gelungenen Dialogbuch sind unter anderem erstklassige deutsche Sprecher wie Hans Korte, Joachim Kemmer, Dagmar Heller, Norbert Gastell oder Klaus Hoehne zu nennen. Besonders die Besetzung von Niall MacGinnis mit Hans Korte darf mit Fug und Recht als eine Sternstunde der deutschsprachigen Synchronarbeit bezeichnet werden.

05RGG01_FluchDaemonen_Scree Anolis bietet auf der Blu-ray-DVD-Edition die Möglichkeit, den Film in beiden Fassungen zu erleben. Bild und Ton dieser liebevoll produzierten Veröffentlichung sind hervorragend. Wie so oft klingt der Originalton räumlicher, aber auch die deutsche Synchronfassung ist klar verständlich. Von besonderem Interesse ist die etwa achtminütige Super-8-Fassung, die mit Recht als eine dritte eigenständige Variante von NIGHT OF THE DEMON angesehen werden kann. Neben dem Trailer und einer Bildergalerie verdienen die zwanzigminütige Dokumentation SPEAK OF THE DEVIL sowie der Audiokommentar von Rolf Giesen und Uwe Sommerlad besondere Erwähnung. In SPEAK OF THE DEVIL erinnert sich die Hauptdarstellerin Peggy Cummins sehr lebhaft an die Dreharbeiten und die Zusammenarbeit mit Dana Andrews. Der legendäre Set Designer Ken Adam, für den NIGHT OF THE DEMON nur eine Etappe hin zu Filmen wie DR. STRANGELOVE OR: HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB (DR. SELTSAM ODER: WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN, 1964) oder diversen James-Bond-Produktionen darstellte, vermag sich zwar nicht mehr im Detail an alle Herstellungsumstände des Films zu erinnern, jedoch belegt allein die Tatsache, dass er sich für diese relative kleine Produktion interviewen ließ, deren Stellenwert in seinem künstlerischen Gesamtschaffen.

Mit NIGHT OF THE DEMON gelang Anolis ein gelungener Auftakt zur nunmehr dritten „Galerie des Grauens“. Wie gewohnt sind die Editionen jeweils streng limitiert und dürften in absehbarer Zeit zu Sammlerstücken werden.

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Night of the Demon, Großbritannien 1957, R: Jacques Tourneur, D: Dana Andrews, Peggy Cummins, Niall MacGinnis, Maurice Denham, Athene Seyler, Liam Redmond

Anbieter: Anolis Entertainment