Mirko Talhammer, alerter, jung-dynamischer Versicherungsmakler in Hamburg, arbeitet für ein halbseidenes Unternehmen in der schicken Hafencity – und ist hoch bei ihm verschuldet. Da kidnappen ihn zwei schmuddelige Gestalten – Träumchen und Schmied, zwei alte Bekannte – und laden ihn in seiner alten Heimat ab, dem familieneigenen Schrottplatz nahe Celle. Vor 15 Jahren haute er hier ab und wollte nie wieder zurück. Doch nun ist Vater Fiete tot, und Mirko muss mit seinem jüngeren Bruder Letscho das Erbe regeln. Mirko, der Studierte im Anzug, und Letscho, das geistig simple Kraftpaket, passen nicht zueinander, Schläge liegen in der Luft. Und auch die anderen dubiosen Verwandten sehen Mirko schräge an – abgesehen von Luzie, die Mirko noch als Kind kannte und heute eine hübsche, junge Frau ist. Mirko ist die armselige Firma egal, die Leute sind ihm peinlich, er will möglichst schnell an Rivale Kercher verkaufen, der bereits alle anderen Schrottplätze der Gegend eingesackt hat. Doch dann entnimmt Mirko dunklen Andeutungen, dass irgendwas Großes im Busche ist, bleibt erst mal da – und wird in einen Coup verstrickt, bei dem’s echt auf ihn ankommt…
Man möchte den Film wirklich mögen, weil er eine an sich „korrekte“ Geschichte erzählt: den gewitzten, mit krimineller Energie ausgeführten Kampf der „kleinen Leute“, des „White Trash“, gegen die Armut – und gegen nicht minder illegale Konkurrenten, die nur mehr Glück hatten – oder noch mehr kriminelle Energie. Aber das allzu offensichtliche Bemühen der Filmemacher um verständige Menschenfreundlichkeit, dramaturgische Eindeutigkeit, szenische Harmlosigkeit, skurrile Schmunzelhaftigkeit usw. lässt einen irgendwann nur noch würgen. All das, was Mirko einst gehasst hat, soll nun das sein, was ihm in der gefühlskalten Großstadt und in einem entfremdeten Job immer gefehlt hat: Heimat, Familie, einer ist für den andern da, man versteht sich auch ohne viele Worte, und die simple Antwort auf alle noch so schwierigen Fragen des Lebens lautet „Schrotten!“
Die Schauspieler sind gut, ohne Frage, und aus der Geschichte hätte sich was machen lassen. Aber so kleinlaut-gedämpft, wie diese Miniposse nun mal ist, kommt allenfalls ein sauberes Fernsehspiel zustande, großes Kino geht anders – selbst die beiden Schlägereien sind kontrapunktisch mit luftigen Popsongs unterlegt, wobei sich echte Bodenhaftigkeit und somit jegliche Dramatik verflüchtigt. Die meisten Figuren erscheinen seltsam-drollig zurechtgebogen, wirken kaum wie echte Menschen, bleiben bis auf vereinzelte Mitmachmomente bloße Staffage – in dieser extremen Trutschigkeit gedeiht kein witziger Moment, ich habe kein einziges Mal gelacht.
Das Proletariat, die Unterschicht, der Bodensatz sind kaum noch Thema im aktuellen Kino, zumal im deutschen nicht, und vielleicht traut man sich auch deshalb nicht mehr recht, unverblümt von ihm zu erzählen – zumal stets die Einwände der Politisch Korrekten drohen. Die hohle, fast märchenhafte Sozialromantik von SCHROTTEN! kann’s jedenfalls nicht sein. Kann man einem Regisseur eventuell Nachhilfestunden verordnen – zum Beispiel bei Vittorio De Sica (DAS WUNDER VON MAILAND), Akira Kurosawa (DODESKADEN – MENSCHEN IM ABSEITS) oder Takashi Miike (SHANGRI-LA – JAPAN GOES BANCRUPT)? Wohl kaum, es könnte aber hilfreich sein.
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Schrotten! D 2016, Regie: Max Zähle | Drehbuch: Max Zähle, Oliver Keidel, Johanna Pfaff | Kamera: Carol Burandt von Kameke (CS) | Musike: Daniel Hofknecht, Gary Marlowe | D: Lucas Gregorowicz, Frederick Lau, Anna Bederke, Lars Rudolph, Jan-Gregor Kremp, Heiko Pinkowski, Rainer Bock, u.a. | Laufzeit: 95 Min., Verleih: Port au Prince