Das vornehmlich britische Horrordrama gilt als Flop, deswegen läuft es kaum irgendwo, selbst die Zahl der Fans von Daniel Radcliffe reicht nicht hin und nicht her. Offiziell kennt man alles, das soll der Grund für die Ablehnung sein. Tatsächlich kann’s auch ein bisschen am Subtext liegen, denn was die Männer hier im Dunkeln treiben, kann man so und so sehen…
Als Frankenstein seine tierische Kreatur Gordon am königlichen Kolleg präsentiert, löst er einen bluttriefenden Skandal aus – erregt aber auch das Interesse des jungen, schwerreichen Schnösels Finnegan Weyland, der Frankensteins Arbeit hinfort finanziert. Während Igor nebenbei seiner Liebe zur höchst lebendigen Ex-Trapezkünstlerin Lorelei frönt, kniet sich Frankenstein immer tiefer in das hinein, was ihn eigentlich treibt: Leben aus dem Tod zu erschaffen, vor allem menschliches Leben…
Igor, der in vormaligen Verfilmungen (z.B. von James Whale oder Mel Brooks) ein Klotzkopf oder Idiot war, wird hier zur klugen, gewissenhaften anderen Hälfte seines Meisters; Frankenstein selbst ist ein hochfliegender Besessener ohne Moral und soziale Kompetenz, er begeistert sich in einer Weise für die Geburt neuen Lebens ohne den weiblichen Schoß und schwadroniert so hemmungslos über Kübel voller Sperma, dass die feinen Damen im Club nervös auf dem Löffel zu kauen beginnen. Abgesehen vom offiziellen, eher lustlos eingeflochtenen, durch kleine Flashbacks illustrierten Bruderdrama enthält der Film eine viel hübschere schwule Suberzählung:
Wer’s noch immer nicht glauben will: Erinnert sich noch jemand an John Hughes Teenieklamotte L.I.S.A. – DER HELLE WAHNSINN (WEIRD SCIENCE) von 1985? Dort, in der Frühzeit der Computerei, entwarfen zwei Knaben am Bildschirm ihre Traumfrau (das Ergebnis in Fleisch und Blut war Kelly LeBrock!). Hier je nun entwerfen zwei Männer einen dritten – einen ganzen Kerl wie aus dem Anatomiebuch! –, und unter heftigen Beigaben von Whiskey geilen sie sich geradezu an ihm auf: Zwei Lungen soll er haben und die Kraft der zwei Herzen – keine Ahnung, was sonst noch doppelt ausfallen könnte… Eine schwule Adoption wäre auf jeden Fall einfacher.
Erschienen im TV Spielfilm Blog.
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Victor Frankenstein GB / USA / Kanada 2015, Regie: Paul McGuigan | Drehbuch: Max Landis, nach Mary W. Shelley | Musik: Craig Armstrong | Kamera: Fabian Wagner | D: Daniel Radcliffe, James McAvoy, Jessica Brown Findlay, Andrew Scott, Charles Dance, Freddie Fox, Callum Turner, Daniel Mays, Guillaume Delaunay, u.a. | Laufzeit: 110 Min., Verleih. 20th Century-Fox