Eine lasziv-romantische Mundharmonikamelodie erhebt sich, grundiert von schmiegsamen E-Piano-Pattern. Als das Schlagzeug die Rhythmik zu einem Jazzwaltz festlegt und Streicher langsam das volle Panorama aufziehen, fängt die Kamera Bilder vom sonnengebadeten San Francisco ein.
Balsam, Milián, De Martino – ein Triumvirat mit Mission: einen Mafiafilm drehen, der nicht die politische Dimension in den Blick nimmt, sich gleichzeitig jeder Verzierung eines DER PATE (1972) enthält, sondern roh und kantig zeigt, wie ein Bandenkrieg in der Familie abläuft. Diese Mission geht mit IM DUTZEND ZUR HÖLLE vollends auf. De Martino war selten der große Visionär, wusste jedoch stets seine Techniken perfekt für exzellente Genreware einzusetzen – so auch hier. Wie er den Spannungsbogen langsam aufzieht, die Charaktere zeichnet, eine lange Exposition voranstellt; wenn er dann ein Feuerwerk an Action abbrennt, im letzten Drittel den Schauplatz wechselt und in Sizilien noch mal den atmosphärischen Nachbrenner zündet, dann weiß man einen großartigen Handwerker auf dem Regiestuhl. Auch vor der Kamera wird es hochdramatisch, denn Martin Balsam ist wie geschaffen für die Rolle des alternden, etwas gutmütigen Don Antonio. Faszinierend zu betrachten, wenn er dieselbe Ruhe und Abgeklärtheit an den Tag legt, als er reihenweise seine Feinde mit einem Maschinengewehr niedermäht. Tomás Milián, sonst eher für das exaltierte Aufdrehen bekannt, schaltet bewusst einen Gang herunter und zeigt sich von großer Eindringlichkeit; sein nachdenklicher Charakter sitzt ihm wie eine zweite Haut und beweist erneut Miliáns schauspielerische Meisterschaft. Das sich bei diesem Duo die übrigen Darsteller jeden Meter Filmpräsenz erarbeiten müssen, dürfte klar sein. Dass es Heroen wie Rabal, Fajardo oder Tamberlini dennoch gelingt, spricht für die Verve, mit der sie sich ins Bild setzen – lediglich Dagmar Lassander kann aus einer leider sehr eindimensionalen Rolle wenig machen.
Für den überdimensionalen Klangkosmos des Filmes zeichnet Riz Ortolani verantwortlich, der schon DER CLAN, DER SEINE FEINDE LEBENDIG EINMAUERT (1971) mit einem anbetungswürdigen Score versehen hatte. ‚Tomas Theme‘ atmet besten ‚More‘-Charme und schmeichelt sich in die Gehörgänge der Zuschauer. Für die diversen Actioncues lässt Ortolani dann seine jahrelange Hollywood-Erfahrung auf die Notenblätter wandern, denn so viel Funk und treibende Proto-Disco hat nicht mal Deodato auf die Beine gestellt. Noch dazu klingt die Bläsersektion speziell in den Trompeten bei keinem anderen Italofilmkomponisten so ekstatisch und spitz wie bei Riz. Zum Glück kann man sich das ganze Panorama auf der bei Chris‘ Soundtrack Corner erschienenen Soundtrack-CD nach Hause holen.
Wenn nach dem Finale – das einen die Luft anhalten lässt – der Film ‚zur Ruhe kommt‘, ‚ausatmet‘ und sich ein letzten Mal die wehmütige Titelmelodie zu ganzer Pracht aufschwingt, dann weiß man wieder einmal, was man sich am italienischen Genrekino vergangener Zeiten für einen Narren fressen kann. Denn IM DUTZEND ZUR HÖLLE ist ein Werk, von dem man weitererzählen sollte und es sich ruhig trauen kann, den alten Grundsatz zu missachten: es bleibt in der Familie!
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Il consigliori, I/ES 1973, R: Alberto De Martino, D: Martin Balsam, Tomás Milián, Francisco Rabal, Dagmar Lassander, Nello Pazzafini, Carlo Tamberlani
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