Auf den ersten Blick sieht alles nach Urlaub aus: Christopher (Bob Belling) und Celia (Jane Ryal) besuchen das romantische Eiland Mykonos; es ist Nebensaison, keine Touristenmassen, eine seltsame Form von Leere bevölkert die verwunschenen Gassen. Doch der Schein trügt und die ewig kalkweißen Häuser werden bald Zeugen eines blutigen Kreuzzuges. Denn dieses Pärchen wähnt sich im Auftrag höherer Ziele unterwegs zu sein – und hat doch den Leibhaftigen im Reisegepäck. Alles, was pervers und unwert ist, was sich unrein oder nicht normal gibt, hat unter Christophers Urteil sein Recht zu leben verwirkt. Von den Trieben gelenkt, von der Polizei gejagt – mit brachialer Härte ‚säubern‘ die beiden Mykonos vom Unrat. Doch mit der Zeit wird offenbar, dass sich dieses Pärchen selbst in einer tödlichen Abwärtsspirale befindet – und sich ihr Tun zum eigenen Gericht setzt!
Fernab aller rückbezüglichen Kontextualisierung schicken wir erstmal voraus, dass Regisseur Nico Mastorakis – was er später auch unumwunden zugab – mit seinem zweiten Spielfilm zunächst mal Kasse machen wollte. Das dass mit einem auf „low budget“ realisierten Streifen, der sich noch dazu reichlich an Sex & Crime labt, anno 1975 durchaus gelingen konnte, darüber dürfte Einigkeit herrschen. Doch Mastorakis legte noch eine ordentliche Schippe schlechten Geschmackes drauf und gestaltete DIE TEUFLISCHEN VON MYKONOS als eine Art Nummernrevue der Abartigkeiten, ließ keine noch so perfide Todesart aus, gab den Moralaposteln ordentlich Zucker. Mit sattsam ausgestalteten Schocks konnte man schon damals das Publikum in die Kinos locken – dass der Film im Zuge der Video Nasties der frühen 1980er ins Gerede kam verwundert nicht, doch führte diese Etikettierung nicht zuletzt in Sammlerkreisen eher zu einem Prädikat als zu einem Stigma. Dass Mastorakis in seiner weiteren Karriere nie wieder einen ähnlichen Film drehte und sich eher auf konventionellere Sujets konzentrierte, spricht zusätzlich für das „Cash-in“-Argument.
Doch Abseits dessen ist ISLAND OF DEATH ein ziemliches Unikat. Entstanden in einer Zeit, als in Griechenland die langjährige Militärjunta gerade durch eine wackeli¬ge Demokratie ersetzt worden war, musste man einen solchen Film nach Jahren der Zensur wohl einfach machen. Bei allen zur Schau gestellten Geschmacksunsicherheiten sollte man auch nicht unbeachtet lassen, dass Mastorakis sein Handwerk versteht und – ganz im Gegensatz zu weniger talentierten Regisseuren, von deren Filmen außer den Schockeffekten kaum etwas übrigbleibt – eine ganz großartige und verstörende Atmosphäre aus dem Setting herausholen kann. Die Darsteller leisten ihren Beitrag zum Gelingen, wobei sowohl Robert Behling als auch Jane Lyle auf leichte Pseudonyme zurückgriffen. Dass Lyle eher als Model denn als Schauspielerin Erfolge feierte, verwundert nicht – und doch ist gerade diese ‚Natürlichkeit‘ hier sehr passend eingesetzt und verstärkt beim Zuschauer das Unbehagen. Dank der hervorragenden Kameraarbeit sah Mykonos wahrscheinlich selten ambivalenter aus, steht ständig an der Schwelle zwischen Reinheit und Verdorbenheit. In dieselbe Kerbe haut auch der Score von Nikos Lavranos, der mit seinen schmachtenden Popsongs die derben Taten des Pärchens untermalt. Dass die Filmmusik für sich geradezu hitparadenwürdig ist und so gar nicht zu einem schmuddeligen Thriller passen will, erschwert dem Zuschauer zusätzlich eine Einordnung, gestaltet sich in seiner Doppeldeutigkeit aber zu einem weiteren Pluspunkt dieses Streifens.
Dem bereits mit einigen Perlen im Katalog aufwartenden Label OFDb Filmworks ist es nun zu danken, dass dieses anrüchige Exemplar von europäischem Exploitationkino nun endlich einen mustergültigen Release in deutschen Landen erfährt. Sehen lassen kann sich definitiv die brandneue und natürlich ungekürzte 2K-Restaurierung vom originalen Negativ, erstellt in Zusammenarbeit mit Regisseur Nico Mastorakis. Sowohl in Schärfe als auch Farbwiedergabe kann der Film nunmehr in seiner ganzen Pracht ‚genossen‘ werden. Neben dem englischen Originalton ist die deutsche Synchronisation enthalten, die sich für eine in den 1980ern entstandene Bearbeitung sehr gut ausnimmt. Auch an Extras wurde nicht gespart: Regisseur Nico Mastorakis stimmt mit einem Vorwort auf diesen Film ein und kehrt für die Featurette „Return to ‘Island of Death’“ an die kaum veränderten Originalschauplätze auf Mykonos zurück. Filmhistoriker Stephen Thrower gibt in „Exploring ‘Island of Death’“ Auskunft über die Entstehung und Rezeption des Films, während der Audiokommentar der Filmwissenschaftler Dr. Marcus Stiglegger und Kai Naumann – nur echt mit Klampfe – in gewohnt unterhaltsamer Weise auf Querverweise und historische Einordnung dieses filmischen Solitärs eingeht – und nicht zuletzt die offene Frage beantwortet, was denn aus der putzigen Ziege wurde. Weiterhin gibt es den englischen und deutschen Trailer zu bestaunen, alternative Eröffnungssequenzen und eine Bildergalerie. Für Soundtrackfreunde ganz besonders interessant dürften die ‚Island Sounds‘ sein, da sich hier mit „Do you love me like I do“, „Destination“, „Melodica Theme (I)“, „Can you call it love“ und „Action Theme“ so ziemlich die komplette Filmmusik versammelt. Wer noch tiefer in die Hintergründe zum Film und seinen Machern eintauchen will, dem sei die Edition als Mediabook empfohlen. Neben den beiden vorgenannten Formaten ist hier eine Bonus-DVD enthalten, auf der sich neben der spielfilmlangen Dokumentation „Die Filme von Nico Mastorakis“ ein Interview mit dem Regisseur sowie ein Trailer Reel zu den Filmen Mastorakis‘ findet. Die englischsprachigen Extras auf allen Discs wurden natürlich sämtlich mit optionalen deutschen Untertiteln ausgestattet. Ein 16-seitiges Booklet macht aus dieser Veröffentlichung dann die volle Packung für den geneigten Fan.
Zugeben: für zart besaitete Gemüter ist ein Besuch auf der ISLAND OF DEATH nichts – mit Nico Mastorakis geht es trotz Ziege nicht in den Streichelzoo. Aber für Filmfreunde des etwas Abseitigen, mit Hang zur Exploitation und speziell retrospektiv eingestellte Zuschauer sei hier eine Empfehlung ausgesprochen. Und allen Euro-Skeptikern sei gesagt: spätestens für DIE TEUFLISCHEN VON MYKONOS sollte man seinen ganz privaten Rettungsschirm aufspannen und diesem griechischen Film in der eigenen Sammlung Unterschlupf gewähren.
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Ta Pedhia tou dhiavolou, Griechenland 1975, R: Nico Mastorakis, D: Bob Behling, Jane Lyle, Jessica Dublin, Gerard Gonalons, Jannice McConnell, Nikos Tsachiridis
Anbieter: OFDb Filmworks