Von Gerd Naumann
Mittlerweile ermüdet die anhaltende Welle von Zombiefilmen, die nun schon fast ein Jahrzehnt aus dem Windkanal der Produktionsschmieden geblasen wird. Auch das Fernsehen nimmt sich verstärkt der Biester an, so feiert weltweilt die Serie THE WALKING DEAD Zuschauererfolge. Gerade diese Serie ist ein typisches Beispiel dafür, wie sehr das Genre noch immer durch die von George A. Romero vorgegebenen Figurenkonstellationen geprägt ist. Gefühlt in jedem Beitrag ereilt die Menschheit eine unvorhergesehene Seuche, die staatliche, familiäre und zwischenmenschliche Beziehungen aus der Verankerung reißt. Und immer wieder ist es eine kleine Gruppe Verzweifelter, die sich gegen die Untoten erwehren muss. Mehr und mehr geraten die Wiederkehrer dabei zur Staffage, sind nur noch die Blaupause für bloße Effekthascherei. Die Botschaften Romeros, erinnert sei an die beißende Konsumkritik in DAWN OF THE DEAD (ZOMBIE, 1978), ist dabei verloren gegangen. Der Homo Zombicus ist mittlerweile durchformatiert, den Marktnischen angepasst und massentauglich geworden. So scheint es zumindest… Ab und an gibt es aber immer noch Überraschungen wie DEAD DET, eine kleine fünfteilige Serie, die 2008 für das britische Fernsehen entstand. Hier wird ebenso klug wie effizient mit den ästhetischen Mitteln der Mattscheibe, ihrer Dramaturgie und der Kamera umgegangen.
Eine kleine Gruppe nimmt an einer Fernsehshow teil, die mit dem Format BIG BROTHER vergleichbar ist. Während die Containerbewohner sich wegen Kleinigkeiten in die Haare bekommen, bricht in der übrigen Welt eine nicht näher definierte Seuche aus, die aus Toten nunmehr Untote werden lässt. Bis auf wenige Überlebende fallen auch die Fernsehangestellten den Angriffen zum Opfer. Es gibt keine Möglichkeit, vom abgelegenen Produktionsareal zu fliehen, so dass der verriegelte Container eine letzte Zufluchtsstätte darstellt. Schlussendlich ist es der befehlsgewohnte Fernsehproduzent Patrick, kongenial von Andy Nyman gespielt, der das Überleben der Gruppe gefährdet…
Auch DEAD SET erzählt im Grunde einen für das Genre typischen Gruppenkonflikt, der aber durch die bewusst eingesetzten Kameramittel, dem dadurch vermittelten „Realismus“ deutlich über dem Niveau vieler aktueller Beiträge liegt. Vergleichbar dem realen BIG BROTHER wachsen dem Publikum die Charaktere mit der Zeit ans Herz, man leidet mit ihnen und ihren Ängsten. Mehr und mehr wird dabei die Trennung von Fiktion und Realität aufgehoben, bis hin zur emphatischen Anteilnahme, Beklemmung und Angst. Dabei wirkt die Serie „very british“, der typische Humor durchtränkt das Geschehen in all seiner Schwärze. DEAD SET funktioniert auch hervorragend als satirischer Blick auf das Fernsehgeschäft, in dem nicht selten oberflächige Selbstbespiegelungen und zur Schau gestellte Eitelkeiten den Ton angeben. Viele der in der ersten Folge eingeführten jungen und stilsicher gekleideten Medienschaffenden tauchen später wieder als Untote auf, mit zerfetzen Kleidern und dem animalischen Verlangen nach Nahrung. Treffender kann der schöne Schein der Medienwelt nicht ad absurdum geführt werden. Gerade die letzte Einstellung am Ende der Serie ist in ihrer hybriden Schönheit zwischen Karikatur und Symbolhaftigkeit von schonungsloser Aussagekraft.
Entstanden ist dadurch eine der interessantesten britischen Fernsehserien der vergangenen Jahre. Allein der Verwertungsweg für solch ambitionierte Projekte ist im deutschsprachigen Fernsehen noch nicht geebnet. Während etwa die BBC-Auflage von SHERLOCK HOLMES im öffentlichen-rechtlichen Kanal zuschauerfreundliche Sendezeiten erhält, wurde DEAD SET bisher noch nicht ausgestrahlt. Dafür aber übernahm Anolis die Heimkinoauswertung. Die Bild- und Tonqualität sind sehr gut, auch die deutsche Synchronisation ist professionell geworden. Das nun erschienene Mediabook bietet gegenüber der seit längerem erhältlichen Standardveröffentlichung einige Vorzüge. Da ist zum einen das elegant gestaltete Mediabook selber, zum anderen findet sich aber auch eine besondere, knapp zweistündige Spielfilmfassung. Serien- wie Spielfilmfassung bieten jeweils die deutsche und die englische Sprache mit optionalen Untertiteln. An Extras finden sich beispielsweise Interviews mit dem Regisseur sowie dem Autor und Produzenten. Ein Making Of wartet mit Szenen vom Set auf, dazu gibt es kleine Dokus über die Spezialeffekte. Besonders erwähnenswert sind auch die zahlreichen entfernten Szenen, die hier ebenso enthalten sind. Fazit: DEAD SET ist eine der besten Horrorserien der letzten Jahre, daher darf für die gelungene Edition von Anolis eine klare Empfehlung ausgesprochen werden.
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Dead Set, Großbritannien 2008, Regie: Yann Demange, Mit: Jaime Winstone, Andy Nyman, Riz Ahmed, Liz May Brice, Kevin Eldon, Kathleen McDermott, Adam Deacon u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment