Die dunkle Seite der Geschichte. Von Friederike Grabitz

Von Friederike Grabitz

Anna ist eine moderne junge Frau, intelligent und zielstrebig. Sie verliebt sich in einen verheirateten Mann und tut alles, um ihn für sich zu gewinnen – auch wenn das bedeutet, seine Ehefrau zu denunzieren. Die Folgen werden ihr erst allmählich klar. Es ist das Jahr 1666 auf der Insel Åland, ein neuer Richter ist ins Dorf gekommen, der mit „modernen“ Methoden vermeintlichen Aberglauben ausmerzen möchte. Zuerst wird die Hebamme und Heilerin verbannt, dann gibt es Hexenprozesse, an deren Ende sieben Frauen enthauptet werden.

Teufels-Braut-Poster Modernität ist das große Thema dieses Historiendramas, das sich auf wahre Begebenheiten bezieht und daran erinnert, dass die großen Inquisitionsprozesse nicht im Mittelalter, sondern in der Neuzeit stattfanden, 150 Jahre nach Luthers Thesen. Der Film kontrastiert ein weitgehend unbeschwertes Dorfleben mit den aus heutiger Sicht barbarischen Rechtsmethoden des neuen Richters, der an seine Mission glaubt: „Die Geschichte wird mir recht geben“, sagt er. „In den Chroniken werden wir es sein, die den Teufel besiegt haben. Die Chroniken lügen nicht.“ Anna, die von der Heilerin des Dorfes sogar lesen gelernt haben soll, argumentiert gegen ihn mit Zitaten aus dem Canon Episcopi, der schon Jahrhunderte früher den Glauben an Hexen selbst als Häresie gebrandmarkt hatte. Zauberei, sagt sie, sei Tagträumerei, also könne auch niemand dafür verurteilt werden.

Helfen wird es ihr nicht, selbst die Frau des Richters, die ihren Mann als „Mörder“ beschimpft, kann die Verurteilten nicht retten. Überhaupt sind die Frauen im Film die starken Figuren, während die Männer es sind, die Macht innehaben: Hexenverfolgung wird dargestellt als Kampf der Geschlechter.

Teufels-Braut-1 Dass sie Charakterzeichnungen und Bilder über gesellschaftlichen Wandel meisterhaft beherrscht, hat die Regisseurin schon 2012 mit ihrem ruhigen, intensiven Drei-Generationen-Portrait TÄHTITAIVAS TALON YLLÄ (DAS HAUS UNTER DEM STERNENHIMMEL) bewiesen, der mich damals nachhaltig beeindruckt hat. Auch ihr neuer Film mit dem Originaltitel „Feuerbraut“ hat eine große Tiefenwirkung. Er ist bis ins Detail sorgfältig inszeniert; man merkt dem Stoff an, dass er insgesamt zwölf Jahre entwickelt wurde. Selbst für hart gesottene Kinogänger ist der Film im letzten Drittel schwer zu ertragen. Das liegt sicher auch daran, dass die Moralkeule sehr rabiat geschwungen wird; die Inquisition wird als kolonialer Fremdkörper in einer funktionierenden und fast fortschrittlichen Gesellschaft inszeniert. Die ursprünglichen Dorfbewohner, sogar die Denunziantin Anna, bleiben moralisch unantastbar. Ist es so gewesen, kann so etwas funktionieren? Trotzdem ist DES TEUFELS BRAUT ein großer, ein wichtiger Film darüber, wie wenig linear Geschichte verlaufen kann.

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Tulen Morsian, Finnland 2016 | Regie: Saara Cantell | Buch: Leena Virtanen und Saara Cantell | Kamera: Konsta Sohlberg | Mit: Tuulia Eloranta, Magnus Krepper, Claes Malmberg, Kaija Pakarinen | Laufzeit: 104 Min.