Ein Doppelschlag von Sam & Vince.

Großer Grusel für kleines Geld? Früher ging sowas im amerikanischen Film allenthalben. Ob in den Motion Picture Theaters oder im Drive-In um die Ecke: das Publikum ließ sich schocken und die Kasse der Verleiher klingelte. Zu kleinen Klassikern dieser Zeit – jeder auf seine Weise – entwickelten sich die beiden, jüngst bei Anolis in ihrer verdienstvollen ‚Die Rache der Galerie des Grauens‘-Reihe erschienenen Filme: als Einträge drei und vier beglückt man die Fans mit SCHREI, WENN DER TINGLER KOMMT und AUSGEBURT DER HÖLLE.

Tingler-Cover Der titelgebende TINGLER, ein krabbenartiges Wesen, das sich von der Angst in menschlichen Nervenbahnen ernährt und sich darum gern am Rückgrat entwickelt, wird von Dr. William Chapin (Vincent Price) entdeckt und erforscht. Kein Antibiotikum hilft gegen dieses Wesen, nur ein markerschütternder, spitzer Schrei seines Opfers kann den Tingler zur Strecke bringen. Schlecht für eine Patientin, die ihre Stimme verlor – gut für Dr. Chapin, der den Tingler nach ihrem Tod separieren kann. Doch das Wesen büxt unversehens aus und dass es geradewegs ein vollbesetztes Kino aufsucht, macht die selbstreflexive Handlung dann endgültig rund. Bis zum Abspann gibt es noch Einiges zu ‚erlegen‘!

TINGLER-04 Jeder Filmemacher versuchte mit neuen Gadgets und Kniffen das Publikum zu begeistern. Produzent und Regisseur Williams Castle, der mit salbungsvollem Talmi in der Stimme die Zuschauer zu Beginn des Filmes auf das nun folgende Gruselwerk einstimmte, ließ die Kinosessel ausgewählter Lichtspielhäuser verdrahten und versetzte den Besuchern mittels dieser ‚Percepto‘ genannten Apparatur leichte Stromstöße, um die Angst vor dem Tingler körperlich spürbar zu machen. Vincent Price, damals schon Star eines ganzen Genres, federt wie gewohnt erstklassig durch die Inszenierung, deren fachmännische Ausarbeitung á la Castle nicht nur ein reptilienartiges, angsteinflößendes Monster parat hielt, sondern mit den eigenen Genrekonventionen lustvoll spielte und bis hin zur selektiv roten Einfärbung des menschlichen Lebenssaftes den Schwarzweißfilm ordentlich aufpeppte.

Neben der deutschen und englischen Sprachfassung sind Audiokommentare mit den Gespannen Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad sowie Ingo Strecker und Robert Zion enthalten, die an Informationen nichts vermissen lassen. Neben der separat aufgespielten deutschen Kinofassung sind die Dokumentation „Scream For Your Life“ sowie der amerikanische und deutsche Kinotrailer inkludiert. Eine Bildergalerie sowie ein 16-seitiges Booklet mit Texten von Dr. Rolf Giesen rundet das Paket ab.

Ausgeburt-Cover Einen gänzlich anderen Weg gingen schon Jahre zuvor Sam Arkoff und seine Leute, dies um American International Pictures (AIP) groß zu machen. Sie erfanden einfach Filmtitel und Inhalte, die oft an der Vortäuschung falscher Tatsachen vorbeischrammten und im fertigen Streifen manchmal sogar nicht vorkamen – doch um zugkräftige Werbung war man nie verlegen. AUSGEBURT DER HÖLLE verschmolz unter ganz schmalen Budgetvorstellungen ein Familiendrama mit dem Science-Fiction-Film und mengte noch eine kleine Portion des Horrors bei, mit dem schon KAMPF DER WELTEN (1953) für Beklemmungen gesorgt hatte. In der Nähe einer Plantage, auf der der Haussegen mehr als schief hängt, geht ein Raumschiff nieder, dessen körperloser Insasse sich des Geistes von Mensch und Tier bemächtigen kann. Die zerstrittenen Farmersleute müssen sich zusammenraufen um das fremde Wesen in seine Schranken zu weisen.

Diese frühe Roger-Corman-Produktion hatte nicht nur mit der klammen Ausstattung zu kämpfen, sondern segelte in den ersten Testvorführungen glatt durch – zu sehr wichen die Werbeschlagzeilen vom fertigen Produkt ab. Also erfand man eine zusätzliche Monstergestalt und ließ eilig nachdrehen, was im Booklet ausführlich thematisiert wird. Schlussendlich gelang Regisseur Lou Place, der nach Fertigstellung seinen Namen zurückzog, im Rahmen der Möglichkeiten eine interessante Spielanlage, die zwar mehr als sympathische Amerikastudie denn als Horrorfilm funktioniert, jedoch einige Schemata austeste, die Jahrzehnte später im Tierhorrorfilm wieder in Mode kamen. Dass Produzent Arkoff mit dem Streifen erfolgreich reüssierte und mit der Zeit eine Formel entwickelte, die seit den 1970er Jahren in den Blockbustermodus überführt wurde, sollte als anerkennenswerter Fakt einfach notiert werden.

AUSGEBURT-01 Vorbildlich gestaltet sich die Separierung der beiden Fassungen, wobei zu AUSGEBURT DER HÖLLE zwei Audiokommentare von Ingo Strecker und Daniel Perée beziehungsweise von Dr. Rolf Giesen vorliegen. Die amerikanische Kinofassung unter dem Titel THE BEAST WITH 1,000,000 EYES! Kann gesondert angewählt werden. Deutscher und US-Trailer verstehen sich, ebenso eine Bildergalerie und ein wiederum sechzehn Seiten starkes Booklet, zu dem diesmal Ingo Strecker ein erhellendes Essay beisteuerte.

Wieder einmal kann man dem Label nur danken, hier kleine Perlen des Genrefilmes vor dem Vergessen zu bewahren und in digitaler Form der Nachwelt zu erhalten. In guter Bildqualität sind hier Editionen geschnürt, die auch in Bezug auf Bonus und Optik in jede Sammlung wandern sollten und zeigen, dass die Liebhabereien auch in unsicheren Zeiten noch nicht ganz verschwunden sind. Um es mit einer typischen Arkoff-Zeile zu sagen: Nach diesen beiden Veröffentlichungen sollte man mindestens eine Million Augen offen halten!

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The Tingler, USA 1959, R: William Castle, D: Vincent Price, Judith Evelyn, Darryl Hickman, Patricia Cutts, Pamela Lincoln u.a.

The Beast With A Million Eyes, USA 1955, R: David Karmansky, D: Paul Birch, Lorna Thayer, Dona Cole, Dick Sargent, Leonard Tarver, Chester Conklin u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment