Von Friederike Grabitz
Der gelangweilte junge Aushilfsarbeiter Isak begleitet spontan die charismatische junge Frau Emily, genannt Em, die er kaum kennt, auf eine Reise, um ein Cello für ihre Schwester zu stehlen. Als das Geld ausgeht, rauben sie Tankstellen aus, brechen schließlich aus Hunger in einen Aussiedlerhof ein, und die Geschichte nimmt eine dramatische Wendung. Bald werden sie von der Polizei verfolgt, streiten sich, finden sich wieder, denn sie können nicht mehr zurück. Die schwedischen Seen in sommerlicher Lagerfeuer-Romantik werden ihr Asyl, eine Heimat auf Zeit.
DIE UNSTERBLICHEN / ETERNAL SUMMER ist eine Bonnie-und-Clyde-Geschichte, die alle Zutaten für großes Kino hat: Eine Abenteuergeschichte und ein Roadtrip durch überwältigende Landschaften, Coming of Age und die erste große Liebe, gute Musik, Schauspielkunst und ein sich bis in die Ausweglosigkeit zuspitzendes Drama.
Im Subtext erzählt der Film noch eine andere Geschichte. Aus der Perspektive Isaks, der noch nie zuvor geliebt hatte, sehen wir anfangs eine strahlende Heldin, die viel von dem verkörpert, was ihm bisher gefehlt hat: Lebensfreude, Spontaneität, Tatkraft und eine vitale Energie, die gesellschaftliche Konventionen mit großer Geste fortbläst. „Sie tut nicht das, was man von ihr erwartet. Aber diese Verrücktheit ist es doch, wofür wir sie lieben, oder?“ sagt in einer der ersten Einstellungen ihre Schwester über Emily.
Anders als Isak tauchen die Zuschauer immer mehr in die Vergangenheit der Heldin ein, unter deren Strahlkraft sich eine tiefe Wunde aus Verletztheit und Selbstzweifeln offenbart. Sie mahnt, was mit Jugendlichen geschehen kann, wenn sie unter der Doktrin aufwachsen, alles erreichen zu können und Architekten ihrer eigenen, großartigen Zukunft zu sein. Doch was macht es mit ihnen, wenn sie diesem selbst gesetzten Anspruch nicht gerecht werden und sich ein Durchschnittsleben nach Scheitern anfühlt? Ems Schwester, die sie über alles liebt, hat geschafft, wovon sie selbst so sehr träumt. Ohne es zu wollen, ist sie es, die Em auf ihre Reise geschickt hat. Nicht das Leben auf der Flucht ist für Em ausweglos, sondern ihr altes Leben war es. Dass es nun kein Zurück gibt, ist ihre Chance, und auch, dass Isak von all dem nichts weiß.
Die Identitätssuche einer jungen Frau war schon das große Thema in Andreas Öhmanns letztem Film ZICKENALARM, den ich von den Filmtagen 2013 als gut gemacht, aber reichlich konstruiert und realitätsfern in Erinnerung habe. Er ging in der Folge auch nicht in den Kinostart. Was Plot, Figurenzeichnung und Exposition angeht, legt DIE UNSTERBLICHEN eine deutliche Steigerung vor. Die meisten werden sich an den Debütfilm des Regisseurs erinnern, die Asperger-Komödie IM WELTRAUM GIBT ES KEINE GEFÜHLE mit dem markanten Gesicht des Hauptdarstellers Bill Skarsgård (2010, deutsch 2011). Spätestens mit seinem neuen Film hat Andreas Öhmann sich als feste Größe im Jugendfilmgenre etabliert.
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Odödliga / Eternal Summer, Schweden 2015 | Buch und Regie: Andreas Öhmann | Kamera: Niklas Johansson | Musik: David Engellau, Love Martinsen | Mit: Madeleine Martin, Filip Berg, u.a. | Laufzeit: 107 Min.