Von Alexander “Dr. Monkula“ Iffländer
BANZAI! ist nicht nur ein japanischer Hochruf, der Freude und Glück für 10.000 Jahre bringen soll, sondern auch der Titel des kürzlich erschienenen japanischen Filmposterbuchs bei Creepy Images. Ein wahres Mammutprojekt. Ich möchte nicht wissen, wie viele Tage und Nächte dafür gescannt und nachbearbeitet wurde, denn das Werk umfasst 292 Seiten und über 560 japanische Abbildungen von in- und ausländischen Produktionen. Besonders hervorzuheben ist dabei die Qualität des Papiers und der eingescannten Plakate: nicht eine Knickfalte ist zu sehen, wirklich ein wahrer Augenschmaus. Zu verdanken haben wir das alles der privaten Sammlung von Armin Junge, die zu einer der größten außerhalb Japans zählt. Über ein Jahrzehnt lebte und arbeitete er in der Werbebranche in Japan, Südkorea, China und Russland. Als langjähriger Exploitationfilmliebhaber warf Herr Junge natürlich auch ein Auge auf die Werbung der Kinoveröffentlichungen vor Ort, wobei es ihm besonders Japan antat. Kein Wunder, dass sich japanische Poster vom Rest der Welt grundlegend unterscheiden, bestehen Sie doch meist aus Fotocollagen. Die dabei ausgewählten Motive oder Fotos der Akteure scheinen die Handlung bzw. das Dargebotene auf der Leinwand genau auf den Punkt zu bringen: „Schau her! Alles, was Du hier siehst, ist auch im Film, also kauf Dir schon eine Eintrittskarte!“, wie es so treffend im Buch geschrieben steht. Manchmal wurden die Fotocollagen noch durch Zeichnungen bereichert oder das Plakat gleich gänzlich gemalt, jedoch stets auf eine so formvollendete Weise, dass das Filmposter neben dem Film selbst als Filmkunst, zudem natürlich auch als starkes und aussagekräftiges PR-Werkzeug, betrachtet werden muss.
Bei ausländischen Filmen wie Hollywoodproduktionen, den Filmen der Shaw Brothers aus Hong Kong oder Filmen aus Europa wurde das Original-Filmplakat nicht etwa einfach übernommen, sondern immer ein neues kreiert, das dem japanischen Ästhetikempfinden und damit auch dem Traditionsbewusstsein des japanischen Zuschauers selbst entsprach. Dazu muss man wissen, dass der Japaner seit der Edo-Zeit ein ganz anderes Gefühl von Ästhetik für sich selbst und den Lauf der Epochen entwickelt hat. Der hiermit verbundene Begriff ist das “Wabi-Sabi“, ein japanisch-ästhetisches Konzept der Wahrnehmung von Schönheit, das eng mit dem Zen-Buddhismus verbunden ist. Das lässt sich in der Teezeremonie, der Malerei, in der Gestaltung einer Skulptur oder einer Vase und vielem mehr wiederfinden. Hinzu kommt das “Ukiyo-e“ (jap. in etwa “Bilder der fließenden Welt“), ein Sammelbegriff für Malerei und Druckgrafik von Farbholzschnitten und illustrierte Bücher aus der Edo-Zeit. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Kunst war Tsukioka Yoshitoshi, der Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts lebte. Durch ihn sollte das “Ukiyo-e“ mit seinen drastischen Darstellungen von Schönheit und Gewalt bis in die Gegenwart fortbestehen. Yoshitoshis Farbholzschnitte zeigen z.B. eine Hexe, die unterhalb einer Schwangeren sitzt, welche an Seilen gebunden an der Decke hängt. Die Hexe wartet auf das Neugeborene, um es zu verspeisen. Besonders blutige Samurai-Kämpfe zählen auch dazu. Wahrscheinlich ist in diesen Gewaltdarstellungen auch die Härte in japanischen Filmen oder Mangas begründet. Gerade die japanischen Mangas stellen eine Weiterentwicklung dieser Kunst dar und haben die Sicht auf die japanische Ästhetik in der Moderne geprägt. Durch die Pop-Art der wilden 60s und 70s wurden die Poster noch anziehender. Auch aufgrund der zunehmenden Popularität des Fernsehens mussten die Filme an der Kinokasse wesentlich interessanter auf den Zuschauer wirken. Folglich wurde der Grad an Nacktheit und Gewalt erhöht, was sich das TV-Programm zur damaligen Zeit noch nicht traute. Diese Entwicklung lässt sich gut am Beispiel der Toei Girl- Gang-Movies mit ihren beiden Kult-Leinwandakteurinnen Reiko Ike und Miki Sugimoto nachvollziehen, im Buch zu sehen ab Seite 32!
Selbst die Eintrittskarten sind in Japan meist schicker als im Rest der Welt und zeigen das Filmposter oder Motive der Produktion. So ist es auch nicht erstaunlich, dass in Japan stationierte US-Soldaten das japanische Filmplakat meist besser fanden als das Original aus Hollywood. Hergestellt wurden die Plakate von Studios wie etwa Toho und Toei. Über die Designer ist leider so gut wie nichts bekannt; man muss also namenlosen Helden danken. Einer der wenigen namhaften Künstler ist Noriyoshi Ōrai, bekannt für seine STAR WARS-Poster oder die Heisei-Godzilla-Filme. Das Plakat für GODZILLA VS. KING GHIDORAH (1991) ist wohl eines seiner schönsten!
Alles in allem bietet das „Banzai“-Buch einen idealen Streifzug durch die Welt der japanischen Posterkunst. Die Bandbreite der hier abgedeckten Genres umfasst Bad Girls, Tough Guys, Horror, Mondo, Shocking, Science Fiction und Fantasy. Besonders Freunde des Mondo oder Roughies werden hier voll auf Ihre Kosten kommen! Auch wenn die Filmplakate für sich sprechen, gibt es zu den jeweiligen Genres einführende Texte auf Deutsch und Englisch oder auch zu Besonderheiten sowie Infos zu einzelnen Filmen. Dadurch ist dieses Buch auch für Filmbegeisterte aus aller Welt lohnenswert. Liebhaber des japanischen Kinos und des Exploitationkinos sowie Interessierte und all jene, die sich durch das Buch inspirieren lassen und neue Filmperlen entdecken wollen, sollten hier unbedingt zuschlagen. Auch wenn ich in meinen Leben eine Vielzahl japanischer Filmposter entdecken durfte, erstaunen mich die im Buch abgebildeten Motive für THE BLACK SCORPION (1957) und FRANKENSTEIN MEETS THE SPACE MONSTER (1965) immer wieder, da sie B-Movies wie große Hollywood-Klassiker erscheinen lassen und das beeindruckende Artwork nochmal die kunstvolle Raffinesse der Japaner unterstreicht. Unbedingt auch ein oder zwei Augen auf die großartigen PLANET DER AFFEN-Plakate werfen! Hut ab vor Armin Junges Sammlung und dem Engagement von Creepy Images. Ein fantastisches Buch und ich wünsche jedem Käufer damit 10.000 Jahre Freude und Glück…..BANZAI!
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Armin Junge: BANZAI! Japanese Cult Movie Posters, 292 Seiten in DIN A4 komplett in Farbe, über 560 Poster-Abbildungen, englischer und deutscher Text, Verlag Creepy Images