Waisenkind Batmans größte Angst ist, wieder Teil einer Familie zu sein. Die durchgedrehte digitale Bauklötzchen-Fantasyaction-Parodie folgt ihm auf seinem schweren Weg, sich selbst zu überwinden. Lego-Batman trägt zwar Noppen statt Nippel, trotzdem ist er ein echter Charakter fast wie aus Fleisch und Blut… Verrückter, bunter, ideenvoller, actionpraller, zitatenreicher, liebenswertester als hier geht’s einfach nicht…
Gotham City in höchster Not! Mit einem Haufen drittklassiger Schurken überfällt der Joker das örtliche Kraftwerk, installiert eine wie immer unnötig komplizierte Bombe – und wartet darauf, dass Batman ihm, dem ach-so-hassenswerten Joker, seine volle Aufmerksamkeit schenkt und das Ding entschärft. Aber Batman ist undankbar und keift: „Du bist ein Nichts für mich!“ Das Spannungsverhältnis von Superheld und Schurke ist kaputt, der Joker gerät in die Krise seines Lebens – und muss sich echt was überlegen, um die geliebte Dichotomie wieder herzustellen…
Ja, Batman ist ein schwieriger Fall, er lebt von Zorn, Einsamkeit und Selbstüberschätzung, er will um nichts auf der Welt eine Beziehung eingehen – in welcher Form auch immer. Doch nicht nur der Joker knackt an Batmans harter Schale, auch ein Waisenbub, der von ihm adoptiert werden möchte, der alte Diener Alfred, der den wahren Wert von Familie kennt, und die heiße neue Polizeipräsidentin Barbara, bei der Batman bzw. Bruce Wayne plötzlich Regungen verspürt, die er noch nicht kannte…
Preiset Hollywood, endlich hat Batman eine Leinwand-Inkarnation gefunden, die nicht mehr peinlich ist, weil sie nun so unverblümt daneben ist! Batman ist der dunkel strahlende Kämpfer, der sich selbst am meisten dafür lobt. Er ist ein armes Würstchen, das wie weiland Citizen Kane freudlos durch seinen Palast schleicht und Kitschfilme mit Tom Cruise guckt (ja, in der „wahren“ Klötzchenwelt werden eben „unechte“ Realfilme geguckt, das ist hier völlig normal). Er ist bockig wie ein kleines Kind, beharrt auf seinen Fehlern und hält Superman partout für seinen Lieblingsbösewicht! Muss es einen da verwundern, dass Superman das 57. Jubiläum der Justice League mit allen bekannten Superhelden feiert – und nur Batman „vergessen“ hat?
Ja, dieser Batman macht echt Spaß. Alles, was davor war, können wir nun getrost vergessen: die bescheuerte Sixties-Fernsehserie mit Adam West (Knall! Bumm! Peng!), die schrägen Karnevalparties mit Michael Keaton von Nicht-Action-Regisseur Tim Burton, die verzweifelten Versuche mit Val Kilmer und George Clooney (Nipplegate!), neulich die krachernsten, unter ihrer Weltenschwere fast kollabierenden Dystopie-Opern mit Mr. Farblos himself Christian Bale, zuletzt die maßlosen Actionporn-Orgien von Zack Snyder mit Speckschwarte Ben Affleck.
Mal wurde es uns als locker-poppig, mal als intellektuell-bedeutsam oder nerdig-metamäßig verkauft. Trotzdem blieb der dunkle Rächer irgendwie immer eine Farce. Erst als Legofigürchen erscheint Batman nachvollziehbar „menschlich“: Befreit von der Dämonie einschüchternder Kostüme, Waffen und Mobile, geschrumpft auf Puppenstubengröße, (scheinbar) gefügt aus Millionen fragiler Plastikteilchen, springen einen seine Konflikte jetzt direkt an. Der wahre Kern zeigt sich ganz offen – viel klarer als in den schwurbeligen, pompösen Erwachsenen-Versionen.
Batman und der Joker haben eine andere Art von Liebesbeziehung: Alles ist gut, wenn sie sich hassen – der Hass auf einander ist das, was sie eint. Sie sehnen sich danach, sich zu hassen, es ist ihr ganzes Glück. Und die ganze Welt profitiert davon, denn der große Riss, der durch Gotham City geht, kann nur gemeinsam gekittet werden – weil Hass verbindet, wortwörtlich!
Auch sonst hält der Film überraschende neue Denkansätze parat. Legendär ist das irgendwann als heikel empfundene Verhältnis zwischen Alleinerzieher Batman und dem kleinen Robin. Offizielle Lesarten sind das natürliche Vater-Sohn-Verhältnis, das pädagogische Lehrer-Schüler-Verhältnis oder die emotionale Hilfeleistung des älteren Waisenkinds für das jüngere.
Bewahrpädagogen und Hysteriker dagegen wollten einen Päderasten und sein potenzielles Missbrauchsopfer in den Figuren erkennen – zumindest aber eine homoerotisch gefärbte Ebene. Doch keine Bange, Batman ist einfach nur verklemmt und gänzlich unverdächtig. Dafür sollte man sich Robin mal genauer ansehen: Er liebt schicke Kostüme und alte Disco-Hits. Anders gesagt: Schwuler geht’s nicht… Ziemlich keck für einen Kinder- und Familienfilm.
Erschienen im TV Spielfilm Blog.
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The LEGO Batman Movie, USA 2017 | Regie: Chris McKay | Drehbuch: Seth Grahame-Smith, Chris McKenna, Erik Sommers, Jared Stern, John Whittington | Musik: Lorne Balfe | Sprecher: Will Arnett, Michael Cera, Rosario Dawson, Ralph Fiennes, Zach Galifianakis / deutsche Sprecher: David Nathan, Erik „Gronkh“ Range, Luke Mockridge, Claudia Urbschat-Mingues, Jürgen Thormann, Anne Helm