Angeblich soll es sich bei MORGAN um eines der heißesten Drehbücher der letzten Jahre gehandelt haben. Es stand jedenfalls auf Franklin Leonards 2014er Blacklist der besten unverfilmten Drehbücher. Und tatsächlich liefert der SciFi-Film mit dem deutschen Titel DAS MORGAN PROJEKT eine spannende Ausgangslage und fungiert gleichzeitig als Debütfilm von Luke Scott, dem Sohn von, ja, … Ridley Scott. Und der wollte als Produzent seinen Sohn bestimmt nicht in die Pfanne hauen.
Mit dem Auftrag, einen zu militärischen Zwecken künstlich erschaffenen Menschen auf einen Vorfall hin zu überprüfen, sucht die kühle Risk-Management-Unternehmensberaterin Lee Weathers (Kate Mara) eine abgelegene, in waldiger Umgebung liegende Forschungsstation auf. Das Zielobjekt Morgan (Anya Taylor-Joy) wurde zwar auf Basis von synthetischer DNA hergestellt, soll aber als erster Cyborg einen authentisch menschlichen Emotionshaushalt aufweisen und scheint tatsächlich gerade unter einer veritablen pubertären Krise zu leiden. Obschon nur 5 Jahre alt, doch im Körper einer 20-jährigen.
Morgan wird von einem vielseitigen Staff aus positiv denkenden Wissenschaftlern betreut: der Leiter Dr. Simon Ziegler (Toby Jones), die behaviourisitsche Betreuerin Dr. Amy Menser (Rose Leslie), Ernährungsberater Skip Vronsky (Boyd Holbrook) und nicht zuletzt die undurchsichtige wissenschaftliche Grande Dame Dr. Lui Cheng (Michelle Yeoh), mit der sich Weathers einmal überraschend in Chinesisch unterhält und die von Morgan „Mother“ genannt wird. Die gut eingeführte Unterschiedlichkeit dieser meist sympathischen Charaktere trägt zur spannenden Grundanlage des Films bei, doch leider geht genau dieser personellen Dynamik sehr schnell die Luft aus. Morgans Psychosen entwickeln sich zu rasant, während die Riege der Wissenschaftler zu wenig differenziert darauf reagiert, als dass der Film psychologisch Fahrt aufnehmen könnte.
Mit dem neu dazu kommenden Psychologen Dr. Alan Shapiro (Paul Giamatti) eskaliert dann die Situation in einer psychologischen Abklärung: Morgan mordet. Dr. Menser verhilft Morgan zur Flucht, denn es darf nicht sein, dass ein sensibles Mädchen als Killermaschine abgestempelt wird. Oder ist Morgan als Kreation trotz aller Gefühle eben doch nur eine Killermaschine? Eine Killermaschine, die nach Gefühl handelt? Spätestens hier wird uns aufgezeigt, wie wir diesen Cyborg metaphorisch zu verstehen haben. Morgan verkörpert den modernen, verschlossenen Teenager, der umhätschelt wird von liebevollen Eltern und Lehrern und eigentlich so empathielos durchs Leben geht, dass er – geradezu automatisch – zum Amokläufer wird.
In der zweiten Hälfte des Films verfolgt die konsequent und kaltblütig vorgehende Lee Weathers Morgan. ‚She hunts her down’, wie man so sagt. Allerdings auf eine nicht sehr atemberaubende Weise – was auch hier die Spannung nicht erhöht. Interessanter ist da das Ende des Films, wenn wir erfahren, dass – Achtung, Spoiler! – es sich bei Lee Weathers um eine frühere Version desselben militärischen Cyborg-Typs handelt. Nur zuverlässiger und besser, weil emotionsloser. Die alte Maschine tötet die neue.
Leider schafft es Luke Scotts Erstling nicht, eine kohärente, ausgeprägte Dramaturgie zu erzeugen. DAS MORGAN PROJEKT bietet wohlig-gruslige Unterhaltung, verpasst es aber, richtig zu packen und all die guten Momente auszuspielen, die der Stoff vorlegt. Die schöne Liste guter B-Schauspieler wird leider auch weiterhin auf B-Level schmoren müssen, wenn sie nicht an bessere Drehbücher herankommen: Michelle Yeoh muss hier wohl nicht vorgestellt werden, Kate Mara spielte die unerschrockene Journalistin in HOUSE OF CARDS, Anya Taylor-Joy agierte viel besser in THE WITCH, ebenso Toby Jones in Filmen wie PANEM, BERBERIAN SOUND STUDIO, SNOW WHITE AND THE HUNTSMAN uvm.. MORGAN hätte nicht auf die Liste der besten Drehbücher gehört, sondern auf die Liste der besten Stoffe. Schade.
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Morgan, USA 2016 | Regie: Luke Scott | Drehbuch: Seth Owen | Musik: Max Richter Kamera: Mark Patton | Mit: Kate Mara, Anya Taylor-Joy, Toby Jones, Rose Leslie, Boyd Holbrook, Michelle Yeoh, Jennifer Jason Leigh, Paul Giamatti | Laufzeit: 93 Min. (Verleih: 20th Century-Fox)