Im amerikanischen Hinterland, irgendwo in einer gottverlassenen Ecke der Vereinigten Staaten. Hier lebt Schweinezüchter Vincent Smith (Rory Calhoun), im Umkreis von hundert Meilen für seine exzellenten Räucherwaren bekannt. Zusammen mit seiner Schwester Ida (Nancy Parsons) verdingt er sich außerdem als Besitzer des urigen ‚Motel Hello‘, dessen ‘o’ leider einen kleinen Wackelkontakt hat – seit dreißig Jahren schon. Denn dass seine Räucherwaren so einzigartig schmecken, hat nicht nur mit Großmutters Würzmischung zu tun: gemeinsam machen die beiden Jagd auf vorbeikommende Durchreisende, die – nach Mast und Genickbruch – in Vincents Räucherkammer landen. Als durch die bemitleidenswerte Terry (Nina Axelrod) für Vincent plötzlich der Himmel voller Geigen hängt und auch noch sein Bruder Bruce (Paul Linke), Sheriff in der Gegend, langsam misstrauisch ob des Verschwindens von Menschen wird, schmeißt sich nicht nur die ein oder andere Kettensäge an, sondern es tanzen die Schweine und im Motel zur Hölle werden sehr bald wieder Zimmer frei!
1980 war zwar eine Zeit lange vor Vegetarismus und möglichweise etwas penetranten Veggie-Day-Diskussionen, doch wenn es ein Film geschafft hätte, sich flankierend auf die Seite der Fleischverweigerer zu schlagen, MOTEL HELL – HOTEL ZUR HÖLLE wären gute Chancen einzuräumen gewesen. Doch natürlich war es nicht so. Natürlich handelte es sich eher um ein Kommerzprodukt der zweiten Reihe Hollywoods, wobei man sich Schützenhilfe aus Großbritannien holte. Talentierte Handwerker aus dem Königreich einzukaufen hatte System: schon bei DIRTY MARY, CRAZY LARRY – KESSE MARY, IRRER LARRY (1974) war John Hough ein guter Griff für’s US-Debüt gewesen. Regisseur Kevin Connor, der zuvor für die mittlerweile insolvente Hammer-Konkurrenzschmiede Amicus einige beachtenswerte Filme bewerkstelligt hatte, fiel nun die Aufgabe zu, dem ehemaligen Westernstar Rory Calhoun zu einer Altersrolle zu verhelfen – und die hatte es in sich.
Natürlich kam man nicht umhin, sich für den ideellen Background von Farmer Smith bei der Verbrecherfigur Ed Gein zu bedienen, der seinerseits sowohl für die Hauptcharaktere in Alfred Hitchcocks PSYCHO (1959) oder Tobe Hoopers BLUTGERICHT IN TEXAS (1974) Pate gestanden hatte. Ganze Motivketten, wie das verschrabbelte Motel in abgelegener Waldeslage, oder die zur Mann-Schwester-Konstellation umgearbeiteten Familienbande wurden aus den bekannten Geschichten adaptiert und um neue Ideen ergänzt. Die Geschichte, die zwar vordergründig ernst angelegt ist, jedoch immer mehr ins sarkastisch-aberwitzige abdriftet, gipfelt schließlich in einem Schlussgag, der ordentlich Pfeffer hat.
Auch wenn die übrigen Akteure sich redlich bemühten und bei einem schwächeren Hauptdarsteller sicher mehr Entfaltung hätten finden können, gegen einen Rory Calhoun in großer Form und Geberlaune kommen sie schlicht nicht an. Mit beneidenswertem Dauergrinsen gesegnet – dass selbst einen Heath Ledger als ‚Joker‘ in den Wahnsinn getrieben hätte – federte er hier durch das verwahnwitzte Setting, war sich für keine hemdsärmelige Komik zu schade und gestaltete seinen Farmer Vincent als ironische Brechung zu seinen früheren Westernrollen mit viel Verve und immer einer rotierenden Kettensäge im Anschlag. Dass er dem Leatherface der TEXAS-CHAINSAW-MASSACRE-Reihe damit eine frühe Parodie hinzufügte, die sich sehen lassen kann, darf in den Chroniken Eingang finden.
Die deutsche Synchronbearbeitung bot hier ein besonderes Filetstück für Holger Hagen, der mit seiner Interpretation Calhouns ganz formidabel ‚aufsprach‘ und die ohnehin süffige Darstellung des ergrauten Westernrecken in perfekter Art unterstrich. Alte Haudegen, die jahrzehntelang in Münchener Synchronateliers ein und aus gingen, schauten in ‘hörbarer Gestalt’ von Monika John, Hartmut Neugebauer, Marina Köhler und Hartmut Reck vorbei.
Die Inszenierung gelang Regisseur Connor stilsicher und mit Blick für Schauwerte, sein Kameramann Thomas Del Ruth bebilderte den Reigen mit effektiven Nachtaufnahmen und rückte die immer etwas zwischen Derbheit und Plattheit tänzelnde Geschichte in die rechte Struktur. Die Musik von Lance Rubin tut ihr Übriges und trägt zum Gelingen des Unternehmens bei, wobei er gegen den manchmal bewusst ‚campy‘ ausgeführten Schauspielstil Calhouns mit dramatischer Ernsthaftigkeit anmusiziert und somit die gewünschte, doppelsinnige Interpretationsweise des Filmes noch verstärkte. Ist das nun brachialer Horrorfilm aus den wilden 1980ern, oder eher überspitzte Horrorparodie lange vor BRAINDEAD (1992)? So richtig klar wurde das den Filmemachern vielleicht selbst nicht. Das Publikum konnte es gelassen nehmen, denn nicht nur in Farmer Vincents Garküche, sondern auch bei Filmen und Zuschauern gilt immer noch die Weisheit, dass auf jeden Topf ein Deckel passt.
Vor Jahren bereits von CMV als Open Matte in 1,33:1 auf DVD herausgebracht, zeigt der vor geraumer Zeit erschienene Blu-ray-Release im Mediabook das originale Kinoformat 1,78:1 und kann solide Werte bei Schärfe und Kontrast erreichen. Der Ton in Dolby Digital 2.0 zeigt sich sowohl in der hervorragenden deutschen Bearbeitung als auch im englischen Original in guter Verfassung. Als Extras sind neben dem originalen und deutschen Trailer eine umfangreiche Bildergalerie sowie weitere Trailer zu Veröffentlichungen des Labels enthalten.
Der Zuschauer mag es – wirklich nur den Film betreffend – mit Fleischfachverarbeiter Smith halten, dessen Credo nicht von ungefähr wie eine Botschaft klingt und noch lange aus dem Fleischwolf quellen dürfte: „Gut genug sind alle Geschöpfe, für Farmer Vincents Töpfe!“
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Motel Hell, USA 1980, R: Kevin Connor, D: Rory Calhoun, Paul Linke, Nancy Parsons, Nina Axelrod, Wolfman Jack, Dick Curtis u.a.
Anbieter: CMV Laservision